Daemonen kuesst man nicht
Schatten und forderten mich heraus, rasch in einem der verlassenen dunklen Tunnel zu verschwinden.
Eine leise Stimme drang an mein Ohr und erschreckte mich beinahe zu Tode. »Es ist so weit«, flüsterte jemand.
Als ich herumwirbelte, sah ich Ezra, der seinen Kopf aus dem Ende des Tunnels streckte. »Wo warst du?«, zischte ich.
Er deutete mit dem Kopf auf einen besonders dunklen Nebentunnel,
an dem wir soeben vorbeigegangen waren. »Folgen Sie mir.«
Ich warf einen Blick auf unseren Führer. Er zeigte gerade dem Rest der Gruppe die Kreidezeichen, die bei den Inspektionen in den 30er und 40er Jahren hinterlassen worden waren. Als er uns den Rücken zuwandte, schlüpfte ich rasch in den Seitentunnel.
Mein Herz schlug so laut in meiner Brust, dass ich den Widerhall hörte. Ich konnte nicht glauben, dass ich das wirklich tat. Das Licht verschwand rasch, und ich musste mich an den kalten Wänden des Tunnels vorantasten. Ezra schimmerte schwach vor mir. Es war ein seltsames Gefühl, bewusst die Regeln zu brechen. Mir widerstrebte es schon, den Rasen fremder Leute zu betreten, geschweige denn mich von einer geführten Tour in einem bedeutenden Nationaldenkmal zu entfernen. Viele der Dinge, die ich in den letzten Wochen getan hatte, hatte ich nur getan, weil ich dazu gezwungen worden war. Ich hatte keine Wahl gehabt – zumindest hatte ich mir das eingeredet. Und ich tat es immer noch. Ich glaube, wenn ein Mensch sich verändert, merkt er es oft selbst als Letzter.
Ezra blieb stehen, und ich musste abrupt anhalten, um nicht geradewegs auf ihn zu prallen. »Joe wandert gern umher«, meinte er und warf mir über die Schulter einen entschuldigenden Blick zu. »Glücklicherweise geht er nicht allzu weit.«
Na schön, die beiden mochten alle Zeit der Welt haben, aber mir war das nicht vergönnt.
»Bist du bereit, Schätzchen?« Parate fühlte sich warm und kuschelig an, als ich ihn aus meiner Tasche hob.
»Na klar. Ich bin von Geburt an immer bereit!« Pirates Krallen scharrten auf dem Beton, als ich ihn neben mir auf den Boden setzte. Er raste wie bei einem Stockcar-Rennen um die Kurve des Tunnels.
Parate rannte scharf links hinter Ezra her, und ich folgte
den beiden. Als die Sohlen meiner Sandalen einen eingelassenen Gitterrost aus Metall berührten, zuckte ich zusammen. »Bleibt stehen.« Meine Stimme hallte in den runden Gängen. »Wie tragfähig ist das?«
»Schwer zu sagen«, erwiderte Ezra. »Aber ich habe Bauaufseher hier gesehen.«
»Was? Im Jahr 1952?« Ich kämpfte gegen eine Panikattacke an, während ich es vor mir sah. Lizzie Brown, die Überlebende einer Dämonenattacke, in einem Tunnel ums Leben gekommen. Dieser Joe war das hoffentlich alles wert.
»Komm schon, Lizzie.« Parate sprang an mir hoch, sodass die Anhänger an seinem Halsband klirrten. »Folge mir. Mir macht die Anspannung nichts aus. Ich bin dafür geschaffen, dich zu entlasten.«
Es kostete mich Mühe, meine Hand von der Wand zu lösen. In dem unheimlichen roten Licht tauchte ein Metallgitter vor mir auf, unter dem sich ein Abgrund auftat. Die Leere unter meinen Füßen schien sich ins Unermessliche zu erstrecken.
Wir folgten etlichen Drehungen und Wendungen des Tunnels, öfter, als ich mir bewusst machen wollte. Trotzdem ging ich weiter, als würde mein Leben davon abhängen – und das wäre auch der Fall, wenn Parate sich verirren würde.
Kurz vor dem Ende einer Abzweigung, die unnatürlich stark nach links gerichtet war, das kann ich beschwören, stellte sich Parate auf die Hinterbeine. »Hey! Schicker Hut.«
Ezra stieß einen Freudenschrei aus. »Joe, du Clown!« Er tätschelte einen glühenden gelben Orb. »Ich habe Besuch mitgebracht.«
Der Orb streckte sich in die Länge und verwandelte sich in einen schlaksigen Bauarbeiter in einem staubigen Overall im Stil der 30er Jahre. Sein weißes Hemd spannte sich um muskulöse, mit Schweiß und Staub bedeckte Arme. Er trug einen plumpen Hut, der mit schwarzer Schmiere bedeckt war.
Er hob den Kopf und grinste, als ob er seit Jahren keine Frau gesehen hätte. Joe hatte ein hageres, freundliches Gesicht mit einer gebogenen Römernase und einem Grübchen am Kinn. »Verflixt, ist das nicht eine Augenweide?«, sagte er und musterte mich ein wenig zu anerkennend.
»Joe, sie kommt ungefähr siebzig Jahre zu spät«, warf Ezra peinlich berührt ein.
Joe schüttelte den Kopf, als wollte er ihn frei bekommen. »Bitte entschuldigen Sie, Madam. Hier unten ist man sehr einsam. Und darüber
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