Daemonen kuesst man nicht
Ich beobachtete, wie ihr Geifer auf den Betonboden tropfte. »Ich nehme an, sie sagen üblicherweise keine Sonnenscheintage vorher.« Gütiger Himmel, die Farbe an den Wänden begann Blasen zu schlagen. War es zu viel verlangt, sich hin und wieder nach einem guten Omen zu sehnen?
Ezra schaute mich an, als wären mir ein zweiter und ein dritter Kopf gewachsen.
»Sie sagen Ereignisse voraus, die die gesamte Menschheit beeinflussen«, erklärte er.
Ich nickte einmal zu viel. Mein Kopf schmerzte. Ich wollte keinen Einfluss auf die gesamte Menschheit nehmen. Ich war hierhergekommen, um meinen Onkel vor einer Heirat zu bewahren, die nicht gut für ihn war. Das war alles. Wir wollten keinen weiblichen Dämon in unserer Familie. Stattdessen hatte ich mir ein Teufelszeichen und eine mögliche Machtprobe im Hoover-Damm eingehandelt, und nun das.
Ezra konnte anscheinend den Blick kaum von den Höllenhunden abwenden. »Schauen Sie sich diese Zähne an. Manche Geister sehen in ihrem ganzen Leben keinen einzigen Höllenhund, geschweige denn zwei gleichzeitig.«
»Wie schön für dich«, meinte ich. Ich fragte mich, wie ich die Welt retten sollte, wenn ich mir nicht einmal sicher war,
wie ich mit den Ereignissen in diesem zweitklassigen Club fertig werden sollte. War das möglicherweise der Ort, an dem die Sukkuben den Männern aufgelauert und sie dann getötet hatten? Immerhin lag er abgeschieden genug.
Die Hunde schienen auf uns zu warten. Auf jeden Fall bewegten sie sich, wenn wir es taten. Sie gingen in einem gleichmäßigen Schritt vor uns her und drehten sich nicht ein Mal um, während wir ihnen den linken Gang entlang folgten. Die hämmernde Musik wurde lauter, und der Schwefelgestank nach Dämonen verstärkte sich. Nach der letzten Kurve landeten wir hinter einem roten Vorhang. Auf der Bühne davor sang ein Künstler schmachtend die ersten Worte von »Mi Amor«.
Ich brauche dich. Ich will dich. Komm zu mir in meine Welt.
Die dreiköpfigen Hunde drehten sich im Kreis und lösten sich in Luft auf.
»Wo sind sie hin?« Ihr Verschwinden beunruhigte mich ebenso wie ihr plötzliches Erscheinen.
Ezra schüttelte den Kopf. »Das ist nicht gut«, sagte er mehr zu sich selbst.
Ich blickte auf den Bühnenvorhang. Der Sänger schmetterte gerade einige Textzeilen, die mir nur allzu gut bekannt waren.
Nimm mich. Sei lieb zu mir. Du weißt, dass du mich brauchst.
Ricardo Zarro, der König der Liebe? Ich konnte es kaum glauben. Ich hatte Ricardo Zarro letzte Woche den Titel »Mi Amor« in der Sendung The Tonight Show singen hören. Der Mann war berühmt für die Songs, die die Menschen in Stimmung brachten. Er war pausenlos in den oberen Rängen der Billboard-Charts vertreten. Und er sah fantastisch aus, wie ein junger Elvis.
Aber warum trat er in einem schäbigen Club wie diesem auf?
So schnell ich es wagte, schob ich mich an die rechte Seite
der Bühne und zog den Seitenvorhang zurück. Er trug ein gelbes Seidenhemd, das er in eine butterweiche Lederhose gesteckt hatte, die (darauf hätte ich alles verwettet) noch nie Kontakt mit dem harten Sattel einer Harley gehabt hatte. Zarro wackelte mit den Hüften und schmetterte sein Lied.
Nimm mich. Nimm mich. Leg deine Arme um mich.
Auf seinen Augenbrauen glitzerten Schweißtropfen. Seine schwarze Haartolle war kunstvoll über seine Stirn drapiert. Er grinste das nicht vorhandene Publikum an und entblößte dabei perfekte Jacketkronen.
Ich versuchte zu verstehen, warum er gerade hier auftrat. Die Hälfte der Leute in Vegas hatte wahrscheinlich noch nie von diesem Club gehört.
Und dann dämmerte es mir – Intimsphäre. Die Dämonen planten etwas.
Irgendetwas Dämonisches schwebte die leere Treppe hinauf, die unter der Bühne entlangführte.
»Zurück!« Ich streckte meine Hand nach Ezra aus und fühlte nur kalte Luft. »Hier entlang!« Ich winkte ihn zu mir, während ich mich mit einem Satz hinter einem Turm von Schwarzlichtboxen in Sicherheit brachte. Er konnte sich natürlich unsichtbar machen. Aber, verdammt, ich brauchte ihn jetzt, und es wäre schön zu wissen, wo er sich gerade befand.
Auf der Treppe stampfte jemand herauf – es klang wie die nächste Invasion des Himmels.
»Großartig«, ertönte eine raue Stimme. Die Stimme eines Dämons. Das erkannte ich genau, und ich konnte den überwältigenden Drang, das Wesen anzugreifen, nur mit Mühe unterdrücken. »Und morgen weiß dann die Mannschaft, wann die Lichter ausgeknipst werden müssen.«
Serena
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