Dämonen-Reihe Bd. 4 Traumsplitter
sehnten.
Nach Luft ringend, stieg Kimi von seinem Fahrrad, das er achtlos auf den Boden fallen ließ. Ein Geschenk von Liv, damit er sich einmal bewegte und seinem vernachlässigten Körper etwas Gutes tat. Darüber dachte er jetzt lieber gar nicht erst nach, sonst überkam es ihn noch und er verpasste dem Drahtesel ein paar kräftige Tritte. Davon einmal abgesehen, dass er das Bike brauchte, wenn er nicht Ewigkeiten damit verschwenden wollte, den Hügel hoch- und wieder runterzulatschen, fehlte ihm im Augenblick ohnehin die Kraft dazu. Er verlor ja schon fast das Gleichgewicht, als er seinen schweren Rucksack absetzte. Hastig zupfte er das nass geschwitzte Oberteil von seinem Rücken. Dieses Gefühl konnte er nicht ausstehen.
Eklig und glitschig. Während er auf dem sonnigen Vorplatz wieder zu Atem kam, bemerkte er den alten Mustang.
»Wahnsinn!«
Aus der Puste, hin oder her. Kimi hievte seinen Rucksack hoch und schleppte sich zu dem schwarz lackierten Wagen mit den lila Streifen und klebte an seinem Seitenfenster wie ein Fünfjähriger am Schaufenster eines neu dekorierten Spielzeugladens. In der Regel gab es für ihn nur zwei Sorten von Autos: nützliche Fahrzeuge, die null Interesse weckten, und Statussymbole, denen man ausschließlich Verachtung entgegenbringen durfte. Aber dieses Baby hier …
»Einfach nur Wahnsinn.«
Immer noch paralysiert von dem faszinierenden Geschoss, betrat Kimi den Exsalon, aus dem lautstarke Musik dröhnte. Der La-Roux-Remix von I Blåme Coco’s Selfmachine lief, ein perfekter Song, den er schon seit Monaten hörte. Offenbar hatte er Tante Ella mit seiner Vorliebe angesteckt, nachdem sie beide am gestrigen Abend, nicht mehr ganz nüchtern und recht erschöpft, dazu in der Vorhalle getanzt hatten. Und zwar so richtig, nicht bloß dieses lasche Partyrumgewackel. Mit Tante Ella konnte man so etwas machen. Ja, es hatte sich gelohnt, seine Anlage herzubringen, auch wenn er sich dabei wie ein Packesel gefühlt hatte.
Der Anblick, der sich Kimi im Salon bot, übertrumpfte den des Mustangs. Mit dem Rücken zu ihm und bestens ausgeleuchtet stand ein nackter Mann. Und was für einer.
»Heute muss mein Glückstag sein«, sagte Kimi, während ihm der Rucksack aus den
Händen glitt und mit einem lauten Knall aufschlug.
Der Mann warf einen fragenden Blick in seine Richtung, und in diesem Moment sagte Ella:
»Genau das war es! Einfach perfekt. Wir haben unsere Aufnahme, Gabriel. Mensch, Kimi, exaktes Timing.«
Gut gelaunt ging sie auf den faserfreien Adonis zu und zeigte ihm das Display der Kamera.
Allerdings schüttelte Adonis den Kopf. »Zu viel Gesicht«, entschied er.
Ella verdrehte die Augen. »Nun entspann dich mal, du Angsthase. Die Druckqualität bei Neues aus Sandfern ist nicht die beste, und die bringen dein Pin-up ja nicht als Poster, sondern quasi als ein Bild neben mindestens einem weiteren Artikel auf der Seite raus. Du stehst da neben Erna Friesen aus dem Shantychor, die ihren fünfundachtzigsten Geburtstag feiert. Wer ganz genau hinsieht, könnte dein Gesicht auf der Straße eventuell
wiedererkennen, obwohl es nur im Seitenprofil und von viel Haar umrahmt zu sehen ist. Aber darauf wird keiner achten, weil dein Hintern ihm die Show stielt.«
Von diesem Argument war Adonis keineswegs überzeugt, wie seine zusammenfahrenden
Augenbrauen bewiesen.
»Okay, wir fragen einen Unparteiischen«, lenkte Ella ein. »Kimi, komm mal gucken.«
Da musste Ella ihn nicht zweimal bitten, Kimi stand schnurstracks Gewehr bei Fuß. Dann musste er sich allerdings zwingen, den Blick von dem Original, das nun auch seine
Vorderseite präsentierte, loszureißen, um dessen Abbildung zu begutachten. Was allerdings fast genauso gut war. In Beleuchtung war Ella wirklich große Klasse, man konnte bei der Aufnahme jeden Muskelstrang erkennen, während die Schatten so geschickt fielen, dass der Akt wie ein Spiel aus Licht und Dunkel war. Im Zentrum standen zwar die breiten Schultern und der Rücken von Adonis, in Wirklichkeit aber wurde der Blick des Betrachters von zwei ganz anderen Dingen angezogen: dem Gesicht beim Blick über die Schulter und …
»Toller Hintern«, bestätigte Kimi Ellas Aussage.
»Siehst du, Gabriel? Sag ich doch: Die Aufmerksamkeit des Betrachters richtet sich
eindeutig auf ein Körperteil von dir, das vermutlich nur wenige Menschen persönlich kennen.
Oder liege ich damit falsch, weil in Wirklichkeit jede zweite Frau in Sandfern sofort den Besitzer zuordnen
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