Dämonen-Reihe Bd. 4 Traumsplitter
Kontrolle zu bekommen?
Offenbar entging das auch Bernadette nicht. »Schatz, bilde ich mir das ein, oder mache ich dich nervös? Das letzte Mal bist du nicht annähernd so schüchtern gewesen.«
»Ich will dich ja nicht kränken, aber im Moment gibt es in meinem Leben einen deutlich triftigeren Grund, die Nerven zu verlieren, als das, was sich unter deinem Kimono abzeichnet.
Nachdem ich letzte Nacht aus einem Traum zurückgekehrt bin, ist vor meinen Augen eine Blume aus dem Wie-Wahr-Wunderland gewachsen und hat sich dann im
Morgenlicht
aufgelöst. Du siehst es mir also hoffentlich nach, wenn ich deshalb eine Spur neben mir stehe.«
»Eine Blume – und du verlierst die Nerven?«
Bernadettes Tonfall ließ keinen Zweifel aufkommen, dass die Frage verächtlich gemeint war, aber das kratzte Gabriel herzlich wenig, also antwortete er schlicht mit einem Ja.
Ihr Lächeln bewies, wie sehr ihr dieses Eingeständnis gefiel. Es gefiel ihr, ihn in der Hand zu haben, und noch mehr gefiel es ihr, ihn das spüren zu lassen. Warum war ihm diese Art an ihr nie zuvor aufgefallen? In seinen Träumen war sie immer die perfekte Spielgefährtin gewesen … und jetzt kam er sich zunehmend wie ihr Untergebener vor.
»Ein kleiner Liebesbeweis des Inkubus, und mein Schatz verliert die Nerven. Dabei ist es doch deine Schuld, du dummer Junge. Du fütterst unseren hungrigen Freund eben nicht gut genug, sodass der Arme gezwungen ist, dir eine Erinnerung zu schicken, was du ihm
schuldest.« Bernadette schüttelte empört den Kopf.
»Der Inkubus tut so etwas, weil du mir nicht hilfst, ihn zu besänftigen. Dabei sollte er doch eigentlich vollauf zufrieden sein mit dem Traum, den ich ihm überlassen habe. Zumindest hattest du mir das damals so erklärt, wenn ich mich nicht irre. Ich zahle jetzt für deine Halbwahrheit und noch einmal, um auch die andere Hälfte zu erfahren, die du mir bislang verschwiegen hast. Du solltest dir das Getue also besser sparen.«
Bernadette grub ihre Fingernägel in sein T-Shirt, und für einen Moment überkam Gabriel die irrwitzige Vorstellung, wie sie ihm das Herz rausriss. »Willst du etwa frech werden?«, zischte sie.
Gabriel biss die Kiefer so fest aufeinander, dass es schmerzte. Die Antwort auf diese Frage sparte er sich lieber, denn sie hätte ihr garantiert nicht gefallen.
»Du solltest dein Temperament lieber unter Kontrolle halten«, sagte sie. »Wenn es stets gleich überschäumt, ist es auch kein Wunder, dass eine Blume dich aus dem Gleichgewicht bringt. Da materialisiert sich ein kleiner unwichtiger Traum, und du springst sofort los, als würde die Welt einstürzen. Nicht einmal die Zeit für eine Dusche hast du dir genommen. Aber mach dir nichts draus: Ich mag verschwitzte Kerle. Der Sommer ist ganz nach meinem
Geschmack. Die Hitze zaubert uns allen einen Film auf die Haut … und deiner schmeckt besonders gut, wenn meine Erinnerung mich nicht täuscht.«
Bei dieser Anspielung auf ihr letztes Beisammensein vergaß Gabriel seine Beherrschung und packte Bernadette grob am Handgelenk. »Schluss damit, ich will jetzt keine von deinen anzüglichen Bemerkungen mehr hören. Du kannst dir später holen, was du willst, aber jetzt reden wir über den verfluchten Inkubus.«
Mit einem Aufschrei versuchte Bernadette, sich aus dem Griff zu befreien. Ein sinnloses Unterfangen, wie sie sogleich herausfand. Gabriel fasste nur umso stärker zu.
»Wenn du glaubst, dass ich dich will, irrst du dich, mein Schöner«, hielt sie ihm entgegen.
»Ich finde nur, dass dir angesichts deiner Ahnungslosigkeit und deiner Abhängigkeit von mir ein wenig Demut gut stehen würde.«
»Demut?« Gabriels Stimme war so rau, dass sie nicht mehr als ein Flüstern war. »Und das gerade von dir.«
So schnell, wie er sie gepackt hatte, ließ er Bernadette auch wieder los. Während sie ihr Handgelenk rieb, auf dem sich rote Abdrücke seiner Finger abzeichneten, musterte er sie von Kopf bis Fuß, als würde er sie zum ersten Mal sehen. Es war nicht nur das äußere Erscheinungsbild, das sich von der Bernadette unterschied, die ihn früher in seinen Träumen besucht hatte – ihre ganze Art war ihm fremd. Das Berechnende und die Herrschsucht. Hätte er damals bereits diese Seite an ihr kennengelernt, hätte er ihr niemals mit einer solchen Bedingungslosigkeit vertraut. Aber damals war alles leicht und mitreißend gewesen. Ja, sagte er sich selbst, weil es dein Traum gewesen ist. Das ist die Realität, freunde dich lieber umgehend
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