Dämonen-Reihe Bd. 4 Traumsplitter
die paar Almosen, die du für gewöhnlich auf deinen Streifzügen ergatterst. Ich rede hier von einem wirklich wertvollen Traum.«
Gabriel fühlte sich zu ausgebrannt, um auf diesen Vorschlag mit Wut zu reagieren. »Wir wissen beide, dass ich nur einen Traum zu bieten hatte. Und der ist leider Vergangenheit, aufgezehrt von einem nimmersatten Dämon.«
»Ich rede ja auch nicht davon, dass es ein Traum von dir sein muss. Mach dich auf die Suche nach einem passenden.«
»Du willst, dass ich einem anderen Menschen seinen Traum raube und ihn dem Inkubus
zum Fraß vorwerfe?«
Bernadette ging nicht darauf ein. »Wie sieht es mit dem Traum aus, der die Nachtblume erschaffen hat? Das klang doch nach Potenzial.«
Bei dem hungrigen Flackern in Bernadettes Augen bereute Gabriel sofort, dass er Ellas Traum, wenn auch nur indirekt, erwähnt hatte. »Nein, der ist nicht dafür gemacht, mehr als diese Blume wird er auf keinen Fall hervorbringen. Ich werde auf die Suche gehen müssen.
Was ist denn der nächste Schritt, wenn ich einen starken Traum gefunden habe?«, lenkte er ab.
Die Art, wie Bernadette einen Schmollmund zog, verriet ihre aufkommende Ungeduld. »Du nimmst ihn dir natürlich. Und damit meine ich nicht bloß die paar Brocken, mit denen du dich bislang stets zufriedengegeben hast in deiner Unbedarftheit. Dieser Traum muss komplett dir gehören. Es wundert mich, ehrlich gesagt, dass du es rein instinktiv nicht sofort getan hast.«
»Mein Verbrecherinstinkt ist nicht so ausgeprägt, tut mir leid.« Diesen Seitenhieb konnte Gabriel sich nicht verkneifen. »Einmal davon abgesehen, dass ich nicht die geringste Ahnung habe, wie ich das mit dem Nehmen anstellen soll, ohne zu zerbrechen, ist da zufälligerweise noch jemand, dem dieser Schatz gehört.«
»Eigentlich habe ich dich nicht als Mann mit Skrupeln eingeschätzt.«
Ich mich auch nicht, dachte Gabriel.
»Hör mal«, sagte Bernadette, während sie im Wandspiegel den Sitz ihrer Ohrringe
überprüfte. »Für dich wird schon alles gut ausgehen, weil du jetzt ja mich hast und ich dir helfen werde, wenn es so weit ist. Wie es allerdings für den Träumenden ausgeht, steht auf einem anderen Blatt. Aber irgendwer muss ja zahlen, nicht wahr?« Bernadette warf einen Blick auf die Uhr, die auf dem Nachttisch stand. »Ich muss jetzt los, mein Schöner. Komm zu mir, wenn du bereit bist. Warte aber nicht zu lange. Es wäre ein herber Schlag für die Damenwelt, dich zu verlieren.«
Wieder eine Kunstpause.
Wieder schwieg Gabriel.
»Offensichtlich habe ich dich mehr Demut gelehrt, als ich zu hoffen gewagt habe. Was sitzt da bloß für ein stiller, fügsamer Mann auf meiner Bettkante? Ich träume wohl wirklich noch.«
Lachend verließ Bernadette das Schlafzimmer.
Als die Wohnungstür zuschlug, zuckte Gabriel zusammen.
Nach der Erwähnung des nicht abzuschätzenden Risikos für den Träumenden, hatte er
Bernadette nicht mehr zugehört. Seine Gedanken waren zu Ella gewandert, die er den
Vormittag über mit aller Gewalt aus seinem Kopf verbannt hatte. Ansonsten hätte er dieses Zusammensein wohl kaum überstanden, obwohl er sich nicht sicher war, ob er es wirklich überstanden hatte. Wie ein Gewinner fühlte er sich jedenfalls nicht, ganz im Gegenteil. Jetzt war die junge Frau mit den vor Lebendigkeit funkelnden Augen wieder da, aber nicht, wie vermutet, als Opfer in seinen Plänen, dem Inkubus die Stirn zu bieten. So, wie Bernadette es gern gesehen hätte. Nein, ganz und gar nicht.
Als Gabriel darüber nachgedacht hatte, was Ellas Traum so stark gemacht hatte – nämlich er selbst –, war ihm schlagartig klar geworden, warum der Marathon mit Bernadette zu einer solchen Qual ausgeartet war: Er fühlte sich gebunden. An eine Frau, die ihn in einem Traum geküsst hatte. Auf eine vollkommen andere Weise als Bernadette.
Weil Ellas Kuss eben kein echter Kuss gewesen ist, hielt Gabriel sich vor Augen.
Jemanden in einem Traum zu küssen, hatte nichts mit der Wirklichkeit zu tun. Es war eine absolut unsinnige Vorstellung, dass Ellas Kuss ein ernst zu nehmendes Interesse an ihm verraten hatte. Geradezu lächerlich. Und trotzdem brachte genau dieses Gedankenspiel Gabriels Lebensgeister zurück.
Wie sollte er bloß aus sich schlau werden?
Ratlos schob er die Decke beiseite und stellte sich in den schmalen Streifen Sonnenlicht.
Es war diese Art von Wärme, nach der er sich sehnte, klar und hell. Ganz anders als die Hitze zwischen den verschwitzten Laken.
Kapitel 17
Leises
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