Dämonen-Reihe Bd. 4 Traumsplitter
vollends überzeugt hervor, denn trotz allem war er durchaus angetan – Gabriels merkwürdiges Verhalten hin, verrückter Horrortraum her. Ein Teil von ihm sehnte sich nach Berührungen, nach einer
außergewöhnlichen Verführung und dem Wissen, etwas Verbotenes zu tun. Wie etwa den
Mann zu küssen, der eigentlich zu seiner heiß geliebten Tante gehörte. Ella, dem einzigen Menschen, der sich ehrlich für ihn interessierte.
Gabriel nahm ihm die Entscheidung ab, indem er seine leicht geöffneten Lippen auf Kimis Mund senkte.
Innerhalb eines Herzschlags wusste Kimi, dass ihm in diesem Moment das Beste
passierte, das er sich überhaupt vorstellen konnte. Das hier war eine vollkommen andere Liga als die paar betrunkenen Knutschereien, die er bislang erlebt hatte. Das hier war der wahre Stoff, über den gesungen und gedichtet wurde.
Unbeholfen krabbelte er auf Gabriels Schoß in der Hoffnung, er möge den Kuss nicht nur erneuern, sondern viel weiter vorantreiben. Dabei störte er sich nicht länger daran, dass Gabriels Haut an den Stellen, wo sie sich an seiner rieb, von kalten Schauern durchzogen wurde. Als könnte sie die menschliche Wärme nicht halten und wollte sich immer wieder in Spiegelglas verwandeln.
Endlich öffneten sich Gabriels Lippen, und während Kimi
sich schon am Ziel seiner
Wünsche glaubte, floss bleierne Schwärze in ihn, umhüllte ihn und riss ihn fort in eine traumlose Bewusstlosigkeit.
Kapitel 22
Küchenpsychologie
Kimi erwachte mit dröhnenden Kopfschmerzen und einem widerlichen
Geschmack im Mund, als hätte er nicht die erste alkoholfreie Nacht seit Langem verbracht, sondern sich mit Baileys volllaufen lassen. Süß und klebrig fühlte sich seine Zunge an. Vor sich hin fluchend, bemühte er sich, den Traum, der ihm so echt erschienen war, möglichst umgehend zu verdrängen. Doch das war leichter gesagt als getan. Während er seinen
Rucksack nach einer sauberen Hose durchwühlte, stiegen andauernd Bilder von Gabriel vor seinem geistigen Auge auf … wie er sich vorlehnte, die Lippen leicht geschürzt.
»Oh, Mann«, nuschelte Kimi. »Daran werde ich noch eine ganze Weile zu knapsen haben.
Was für ein absolut krankes Zeug, mein Unterbewusstsein ist die reinste Müllkippe.«
Was er jetzt brauchte, war ein kräftiger Schluck, selbst wenn es sich dabei lediglich um Wasser aus dem Hahn handelte. Er schlüpfte in ein Paar rote Röhrenjeans, dann trottete er in die Küche … und stand zu seinem Entsetzen plötzlich Gabriel gegenüber. Einem
überzeugend realen Gabriel mit Bartstoppeln, tiefen Augenschatten und Kissenabdrücken auf der Wange. Außerdem war er nicht nackt, sondern trug ein Holzfällerhemd mit
hochgekrempelten Ärmeln und zerschlissene Jeans. Zum ersten Mal fand Kimi das gut.
»Moin, auch schon auf den Beinen?« Gabriel hob zum Gruß den Kaffeemesslöffel, dann
widmete er sich wieder der Porzellankanne aus Großtante Wilhelmines Bestand, mit der man den leckersten Kaffee der Welt kochen konnte. »Ich will dich ja nicht vor den Kopf stoßen, aber du siehst genauso mitgenommen aus, wie ich mich fühle. Und damit meine ich nicht diesen kleinen silbernen Ring, der dich da ziert.«
Unwillkürlich packte sich Kimi an die Brust. Offenbar hatte er das Pflaster im Schlaf abgekratzt. Schockschwerenot. »Das Piercing hatte ich vor lauter Aufregung ganz
vergessen«, erklärte er an sich selbst gerichtet.
»Das ist frisch gestochen, richtig? Kimi, was soll ich sagen, deine Tante wird begeistert sein.«
»Ist mir schon klar, aber binde es ihr bitte nicht gleich auf die Nase. Justamente packe ich kein weiteres Unter-vier-Augen-Gespräch. Ich schwöre dir, ich klapp zusammen, wenn Tante Ella mir eine ihrer Reden hält nach dem Motto: Ich liebe dich, aber es bringt mich um, dir dabei zuzusehen, wie du dir das Leben schwer machst. Gnade!«
Gabriel musterte ihn eingehend. »Entspann dich, Ella ist nicht da. Außerdem ist es auch etwas übertrieben, deshalb zu zittern und im Gesicht grün anzulaufen. Hängt dein zerrütteter Zustand irgendwie mit dem Alkoholverbot zusammen?«
»Viel schlimmer! Ich habe von dir geträumt«, platzte es aus Kimi heraus.
»Ja, und?«
»Das war nicht einfach so ein Traum. Ich meine … ach, Scheiße, Gabriel, du weißt schon.«
Leider sah Gabriel ihn nur abwartend an.
Kimi hob die Arme über den Kopf und dehnte seine verspannte Rückenmuskulatur. »Du
hast mich geküsst.«
Gabriel zuckte mit den Schultern. »Und das war alles?«
Das war zwar
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