Dämonen-Reihe Bd. 4 Traumsplitter
Und wenn diese
Gegenleistung für den Dämon an Bedeutung verlor, forderte er die nächste …
Mit Grauen dachte Gabriel an das kleine Geschenk des Inkubus, das er vor ein paar Tagen nach dem Aufwachen gefunden hatte. Es war der Morgen nach dem Gespräch mit Ella
gewesen, in dem er ihr gestanden hatte, dass er mit einer anderen Frau geschlafen hatte, und woraufhin sie zu Nora geflohen war. In dieser Nacht war er aus der Traumwelt
hinausgedrängt worden, woraufhin er sich auf seinen Futon gelegt hatte. Mit der
aufgehenden Sonne war er hochgeschreckt, verwirrt, und trotz der Wärme war ihm eiskalt gewesen. Doch das war alles nichts im Vergleich zu dem hinterhältig platzierten Präsent gewesen: In Gabriels Mund hatte eine blutige Glasscherbe gesteckt. Nach der in den
Silberstaub geschriebenen Drohung hatte er Gabriel damit demonstriert, wie dicht er ihm auf den Fersen war. Keine Zauberblumen mehr, no, Sir. Darüber waren sie eindeutig hinweg.
Und trotzdem konnte er es nicht unterlassen, den Spiegel zu durchschreiten. Nicht nur, um seine Suche fortzusetzen … Es war vielmehr eine Sucht, die er nicht einmal mit dem Tod vor Augen überwinden konnte. In den Jahren zuvor war ihm nie aufgefallen, dass ihm gar nichts anderes übrig blieb als zu wandeln. Schließlich hatte er es jede Nacht begierig getan. Erst jetzt, angesichts der Gefahr, erkannte er, dass der Pakt mit dem Inkubus weit über den offensichtlichen Handel hinausging: Ein Teil von ihm gehörte seitdem der Traumwelt. Er spürte ihn jedes Mal, wenn er die Grenze durchschritt. Dieser Teil zog ihn an und war stärker als Wille und Vernunft. Er gehörte beiden Welten an, ob er das akzeptierte oder nicht.
Gabriel blieb mitten im Eingangsbereich der Markthalle stehen, ohne sich darum zu
scheren, dass die anderen Kunden sich an ihm vorbeidrängeln mussten und sich
entsprechend laut beschwerten. Ihm kam eine Idee, ganz plötzlich schälte sie sich aus der Dunkelheit und bot sich ihm an, schillernd wie ein Diamant. Gabriel griff zu, denn zu verlieren hatte er nichts. »Wie wäre es«, flüsterte sie ihm zu, »wenn du – anstatt dem Inkubus seinen Preis zu bezahlen – einfach hinter dem Spiegel bleiben würdest? Denk an den Kuss, den du mit Ella geteilt hast. Damals hast du es gespürt: Das Geschehen muss nicht zwangsläufig von dem Träumenden bestimmt werden, sobald du als Wandelnder selbst zum Gegenstand
von ihm wirst. Du könntest in einen fremden, unbedeutenden Traum deiner Wahl spazieren und ihn an dich nehmen, ihn zu deinem Obdach umformen. Wenn du keinen Traum rauben
kannst, dann wirst du eben selbst zu einem – als Mensch kannst du das, im Gegensatz zum Inkubus. Zugegeben, das Risiko ist unabsehbar, und niemand kann sagen, ob du
anschließend für immer ein Gefangener sein wirst. Aber deine Chancen, einen passenden Traum zu finden, stehen gleich null, und vermutlich würdest du ihn dir ohnehin nicht nehmen, selbst wenn du einen finden würdest. Du würdest erneut so zurückschrecken, weil du
niemanden um so etwas Wertvolles bringen kannst. Besser, du gestehst es dir endlich ein. In der Traumwelt hingegen könntest du Ella, falls es klappt, jede Nacht in ihrem Garten besuchen, ihr wärt beide in Sicherheit.«
Es war dieser Hoffnungsschimmer, der die irrwitzige Idee wie eine annehmbare Alternative erscheinen ließ.
Voller Ungeduld besorgte Gabriel die Pavlova. Dann kehrte er im Laufschritt zu seinem Wagen zurück. Unterwegs zückte er sein Handy und wählte Bernadettes Nummer. Seit ihrem letzten Beisammensein hatte er sie nicht mehr gesprochen. Vermutlich würde sie alles andere als entzückt darüber sein, ihn in der Leitung zu haben, aber das war ihm jetzt gleichgültig.
»Hey, Bernadette«, legte er sofort los, als abgenommen wurde. »Wo steckst du gerade?«
»Ah, Loverboy. Hatte schon ganz vergessen, wie deine Stimme klingt. Sag bloß, du hast die entscheidende Zauberzutat für deine Rettung aufgetan und willst jetzt zu mir kommen. Na los: Versüß mir den Tag.«
Das klang ja nicht einmal halbwegs so kratzbürstig, wie Gabriel es befürchtet hatte. Er startete den Motor und setzte, ohne zurückzublicken, aus der Parklücke. Ein knallgelber Mini musste hart bremsen und eröffnete ein wildes Hupkonzert der Empörung. Gabriel winkte nur ab und brauste davon.
»Bist du zu Hause?«
»Ja, aber nicht allein. Wobei dir meine Tür natürlich jederzeit offen steht, mein süßer Liebling.«
Okay, die Lady hat eindeutig mehr als einen
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