Dämonen zum Frühstück
zumindest etwas
interessanter machte. Ganz normale Neugierde, würde ich
sagen.) Wie ich am Tag zuvor erfahren hatte, war der alte Curtis
so großzügig gewesen, seinen ganzen Grund und Boden (und
wir sprechen hier von sehr, sehr viel Grund und Boden) sowie seine sonstigen weltlichen Güter der Kirche zu vermachen. Er hatte sogar ausdrücklich vermerkt, dass seine »Gattin und Nachkommenschaft« nichts, aber auch rein gar nichts, bekommen sollten – eine Tatsache, die Clark vermutlich verdammt gewurmt haben dürfte (von seiner Mutter und seinen Ge
schwistern einmal abgesehen).
Ich fand zudem heraus, dass Thomas Petrie ein Kirchenstipendium erhalten hatte und auf das St.-Thomas- AquinasCollege geschickt worden war. Später verfasste er Romane, in
denen ein Priester komplizierte Kriminalfälle löste. Nachdem er
immer wieder auf der Bestsellerliste der New York Times gestanden hatte, war auch er vom Großmut gepackt worden und
hatte der Kirche einige generöse Geschenke gemacht. Da die
Spenden kein Geld beinhalteten (einmal stiftete er zum Beispiel
eine alte Holzmadonna), vermutete ich, dass er Dinge hergab,
die er während seiner Recherchen für seine Romane angeschafft
hatte.
Ich überflog die anderen Wohltäter, doch mir stach kein weiterer ins Auge. Nur ein gewisser Mike Florence fiel mir auf, da
er wie die Stadt in Italien hieß; aber soweit das ersichtlich war,
hatte er nichts als eine kleine Golddose mit einem wunderschönen Kruzifix auf dem Deckel gestiftet. Ich fand auch den Beleg
dafür, und falls sich Goramesh nicht gerade auf der Suche nach
einer Dose befand, die in den fünfziger Jahren bei Macy’s erworben worden war, dann bezweifelte ich, dass ich mich auf der
richtigen Fährte befand (zugegebenermaßen hätte ich mich für
das Aussehen der Dose interessiert, aber sie befand sich offenbar ganz unten in der hintersten Kiste und somit an einem Ort,
den wir Archivare als »geografisch ungünstig« bezeichnen). Mit einem resignierten Seufzen schob ich die letzte Liste beiseite. Nun blieb mir entweder die Möglichkeit, jedes Dokument der Stifter einzeln durchzugehen oder mit den wesentlich cooleren Dingen in den Kisten zu beginnen. Da ich bezweifelte, dass ich irgendetwas erkennen würde, wenn ich es vor mir hatte, wäre es bestimmt das Beste gewesen, als Erstes die Korrespondenz zwischen Kirche und Wohltätern anzusehen. Doch mir blieb nur noch eine halbe Stunde Zeit, mir schmerzten die
Augen, und ich langweilte mich schrecklich.
Außerdem war ich mir sicher, dass wir nicht mehr viel Zeit
hatten. Es erschien mir also als das Geschickteste, wieder einmal
auf mein Bauchgefühl zu hören und mir die Gegenstände
anzusehen.
Ich zog die nächste Kiste an den Tisch heran, hievte sie aber
nicht hoch. Sie schien nämlich eine Tonne zu wiegen. Stattdessen ließ ich sie neben mir stehen und hob den Deckel. Ich
achtete darauf, dass ich mich in gebührender Entfernung befand, falls eine Schar von Minibiestern über mich herfallen
würde.
Nichts geschah. Ich warf einen ersten neugierigen Blick in
die Kiste. Zu meiner Enttäuschung musste ich feststellen, dass
sie voll abgegriffener, in Leder gebundener Bibeln war. Tausende von Seiten, auf denen sich überall eine wichtige Notiz für
mich befinden konnte! Jede Bibel begann mit unzähligen Eintragungen der jeweiligen Familiengeschichte, die meist in einer
schrecklichen Schrift hineingekritzelt worden waren und die ich
nun entziffern sollte.
Halleluja!
Ich holte die erste Bibel heraus, unterdrückte ein Niesen und wusste wieder einmal, warum ich niemals selbst ein derartiges Familienerbstück angelegt hatte. Solche Bücher wurden alt, brüchig oder begannen zu schimmeln. Und was sollte man dann mit ihnen anfangen? Falls man allerdings zur Familie Oliveiras gehörte, schien man sie der Kirche zu stiften, damit eine Idiotin wie ich später einmal das Vergnügen hatte, sie durchforsten zu können. Warum auch nicht? Schließlich konnte man so etwas wohl kaum auf den Müll werfen. Natürlich gibt es diesbezüglich kein Gesetz, aber eine Bibel auf diese Weise zu entsorgen würde wahrscheinlich nicht gerade gut bei dem da
oben ankommen.
Es gelang mir, den Stammbaum zu entziffern (nichts Interessantes). Dann blätterte ich langsam durch das Buch (weder eine
handschriftliche Bemerkung noch unterstrichene Verse waren
zu finden). Ich achtete besonders auf Johannes 11,17, auf den
Vers, in dem es um Lazarus geht. Doch nirgends fand ich eine
Notiz, ein eingeschobenes Blatt Papier oder
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