Dämonen-Zwillinge
dicht vor mir mit einer heftigen Bewegung aufgerissen wurde und Dagmar mir beinahe in die Arme fiel.
»John! Endlich!«, jubelte sie. Ihre Augen strahlten, als sie sich gegen mich warf.
Das war keine Begrüßung im üblichen Sinn. Ich fühlte mich wie der berühmte Rettungsanker für Dagmar, an dem sie sich festklammern konnte. Sie umschlang mich so fest, als wollte sie mich in den nächsten Minuten nicht mehr loslassen, und ich hörte, dass sie immer wiederholte, wie froh sie war, mich zu sehen.
Das klang einerseits gut, doch andererseits kam ich schon ins Grübeln.
Ich schob Dagmar über die Schwelle, und erst im Flur, dessen Wände in einem zarten Gelb gestrichen waren wie auch die in der übrigen Wohnung, ließ sie mich los.
»Himmel!«, keuchte ich und fasste gegen meine Brust. »Du... du... erdrückst mich ja.«
Sie lachte und wischte über die Augen. »Das wollte ich nicht, aber du kannst dir nicht vorstellen, was ich in den letzten Minuten durchgemacht habe. Ich wusste ja, dass du kommen würdest. Nur ist mir die Zeit so lang geworden. Da dehnten sich die Sekunden schon zu Minuten, und... und... du bist tatsächlich im letzten Augenblick gekommen.«
»Ach ja? Hattest du Probleme?«
»Das kannst du wohl laut sagen.«
»Um was ging es?«
»Komm erst mal richtig rein. Ich habe noch Kaffee. Möchtest du eine Tasse?«
»Das kann nicht verkehrt sein«, sagte ich, schloss erst mal die Wohnungstür und sah, dass Dagmar in der Küche verschwand. Sie kehrte mit einer Kanne zurück und winkte mir zu, ihr in das geräumige Wohnzimmer zu folgen.
Während sie das Geschirr besorgte, schaute ich mich um. Ein sehr großes Fenster öffnete den Blick auf die Berge, über denen sich der Himmel allmählich aufhellte. Das winterliche und schon bedrückende Grau wurde zurückgeschoben. Die ersten blauen Stellen erschienen. Sonne drang durch die Lücken und warf ihren Schein gegen die Höhen, die von einer hellen Schneeschicht überzogen waren, die an manchen Stellen aussahen wie ein glänzender Spiegel.
Die Einrichtung der Wohnung wies auf Dagmars Geschick und Kreativität hin. Helle wunderschöne Stoffe bildeten die Bezüge. Auch in der dünnen Gardine fand sich ein zartes Gelb wieder. Es harmonierte mit dem sanften Rot, mit dem die Metallgestelle der Couch und der beiden Sessel lackiert waren.
Edle Möbel und dazu ein unifarbener Teppich, der ihnen auch nicht die Wirkung nahm. Ein sommerlicher Raum auch im Winter. Die Bilder an den Wänden zeigten fröhliche Farben. Oft waren es Motive aus der Natur, die der Maler ein wenig verfremdet hatte, ohne den Motiven allerdings den Charme zu nehmen.
»Toll habt ihr es hier«, sagte ich.
Dagmar winkte ab. »Ach, John, das ist im Moment alles so unwichtig geworden.«
Mit einer ähnlichen Antwort hatte ich gerechnet. Sie und Harry mussten schon gelitten haben.
»Ja«, sagte Dagmar, als sie den Kaffee einschenkte. »So ist das. Mein Leben hat sich radikal durch meine Töchter« – sie lachte jetzt hart auf und stellte die Kanne zur Seite – »verändert.«
»Töchter?«
»Das behaupten sie.«
»Und was meinst du dazu?«, fragte ich.
Sie setzte sich auf die Couch, die ein Zweisitzer war. »Ich muss es ihnen glauben. Sie sagen nichts anderes. Ihre Behauptungen bleiben stets gleich. Kurz bevor du kamst, haben sie mich wieder besucht.« Dagmar Hansen berichtete mir von dem Erlebnis und davon, dass sie getötet werden sollte wie schon einmal. Zum Schluss fügte sie noch einen bemerkenswerten Satz hinzu, der auch das ganze Dilemma wiedergab, in dem sie sich befand. »Es hat keinen Sinn, wenn ich versuche, mich zu verstecken oder irgendwo anders hinzulaufen. Sie werden mich überall finden. Sie sind und bleiben ihrer Mutter auf der Spur.«
Ich gab ihr Recht. »Und dann«, so sagte ich, »wollen sie jeden aus dem Weg schaffen, der dir zur Seite steht.« Ich gab ihr den wahren Grund meiner Verspätung bekannt und merkte, dass sie verkrampfte. Zu einer Antwort rang sie sich nur mühsam durch.
»Dann sind sie informiert über das, was ich tue oder vorhabe.«
»Das muss man so sehen.«
Dagmar schaute vor sich hin und nickte. »Ja, das ist ein Problem. Wie ist es möglich, dass so etwas überhaupt passiert? Wer sind die beiden? Welche Macht haben sie? Ich weiß es nicht.« Der Klang ihrer Stimme sank etwas ab. »Dabei hätte ich es wissen müssen, wo ich doch angeblich ihre Mutter bin. Aber auch das stimmt nicht, John, denn ich kann mich an nichts erinnern, was mein erstes
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