Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dämonendämmerung - Die Auserwählte (German Edition)

Dämonendämmerung - Die Auserwählte (German Edition)

Titel: Dämonendämmerung - Die Auserwählte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Reiff
Vom Netzwerk:
spöttisch. „Sei mir nicht böse, deine Fähigkeit Gefühle zu zeigen, hat sich seit ich dir zum ersten Mal begegnet bin, in einem sehr eng umrissenen Rahmen bewegt.“
    „ Sie zehren mich aus. Ich wusste bis heute nicht einmal, dass ich zu solchen Emotionen überhaupt fähig war. Aber alles Glück, Zufriedenheit und Lebenskraft entzogen zu bekommen, ist die größte Qual, die ich in meinem Leben bislang spüren musste und ich habe nur noch zwei Wünsche. Ich möchte in unserer Welt und in Frieden sterben.“
    Ihre Augen ruhten auf Heyders hinfälliger Gestalt. Während er gesprochen hatte, war er weiter gealtert. Seine Haut war durchscheinender geworden. Die Falten hatten sich geglättet, dafür konnte sie nun deutlich die feinen, blauroten Äderchen unter seinen Wangen erkennen. Heyders Augenäpfel lagen tiefer als zuvor in ihren Höhlen, entstellten sein vormals strahlend jugendliches Gesicht und gaben ihm etwas Mumienhaftes.
    Heyder streckte seine zitternden, spindeldürren Finger nach ihr aus. „Bitte, Dorothea, ich weiß, ich habe so ziemlich jede Sünde begangen, die es gibt, aber ich flehe dich an, lass mich nicht zwischen ihnen sterben.“
    Das Wort ihnen klang wie ein anklagender Schrei und trieb ihr einen Schauer über den Rücken, während sie sich flüchtig in der Hütte umsah. „Thomas, außer uns ist hier niemand.“
    „Ich weiß, dass sie hier sind!“, beharrte Heyder. Seine Augen flackerten auf. Er war kaum in der Lage, seinen Kopf zu bewegen, aber seine verbliebenen Kräfte reichten noch aus, um seine Augäpfel blitzschnell in ihren Höhlen hin und her fliegen zu lassen.
    „Wer ist hier? Ich muss es wissen.“
    „Die Zweiundsiebzig . Sie wollen verhindern, dass ich dieses verdammte Buch zuschlage, damit ich endlich wieder heimkomme. Alles, was ich…“ Heyder brach ab. Sein letzter Satz hatte ihn an den Rand der Erschöpfung gebracht und er benötigte dringend eine Pause.
    „Spar dir deine Kräfte“, sagte Doro und legte ihren Zeigefinger an ihre Lippen als Zeichen, dass er schweigen sollte. Falls sich die Zweiundsiebzig tatsächlich in der Hütte befanden, sollte es ihr auch möglich sein, ihre Gedanken zu hören. Lavina hatte es ihr bestätigt: Als Magische war sie in der Lage, in den Geist eines jeden Dämons einzudringen. Sie konzentrierte sich, doch sie hörte nur ein einziges Geräusch, Heyders röchelnden Atem. Ihr Blick richtete sich auf den alten Mann. Er war nur noch ein Schatten seiner selbst. Zwischenzeitlich schien er derart geschwächt, dass er kaum noch seinen ausgezehrten Körper in einer aufrechten Sitzposition halten konnte. Und sein Zustand wurde mit jeder weiteren Minute kritischer.
    Die Ereignisse der letzten Stunden kreisten in ihrem Kopf und setzten sich langsam wie Mosaiksteinchen zusammen. Das Bild, das sie zeigten war ebenso ernüchternd wie erschreckend. Ob die Zweiundsiebzig in diesem Moment tatsächlich anwesend waren, konnte sie nicht mit Bestimmtheit sagen, aber eines war offensichtlich, Heyder hatte panische Angst. Und die betraf nicht nur sein Altern, sondern auch die Gewissheit, dass sein Tod unmittelbar bevorstand. Durch seine Flucht hatte Heyder geglaubt, seinem Schicksal zu entrinnen, aber das Gegenteil war der Fall gewesen. Heyder hatte sich selbst in die Irre geführt. Er war an einen Ort geflohen, den er für sicher hielt, ohne zu ahnen, dass er mit dieser Entscheidung seinen Untergang besiegelte. Ihn gehen zu lassen, war ein äußerst cleverer Schachzug Malphas´ gewesen. Falls die Zweiundsiebzig sich in der Hütte befanden, war Heyder ihnen nun hilflos ausgeliefert… Eine mühsame Bewegung Heyders riss sie aus ihren Überlegungen. Unter Aufbietung aller seiner Kräfte hob er seinen Kopf und blickte sie an. In seinen Augen leuchtete ein Flehen.
    „Bitte, Dorothea, erlöse mich. Weder diese Welt noch ihre Wesen können dir etwas anhaben. Dir ist es möglich, dich frei zu bewegen. Während meine Kräfte unaufhörlich schwinden, wirst du mit jeder weiteren Minute nicht nur schöner, sondern auch unsterblicher.“
    „Wie meinst du das?“
    „Schau in irgendetwas, in dem du dich spiegeln kannst.“
    Doros Augen wanderten zu dem kleinen Rasierspiegel, der über dem Waschbecken hing. Sie trat davor, um ihr Gesicht darin zu betrachten.
    Es stimmte, was Heyder sagte. Ihr Aussehen veränderte sich. Es hatte etwas Reifes, Würdevolles angenommen, das sie schon an Lavina bewundert hatte. Ihre rechte Hand schob ihren Pony über ihre Augenbrauen nach oben.

Weitere Kostenlose Bücher