Dämonendämmerung - Die Auserwählte (German Edition)
schloss die Jacke und vergrub ihre Hände imwarmen Fleecefutter der Taschen. Mit jedem Meter, den sie sich der Mühle näherte, wurde die Luft feuchter und schwerer. Über den moorigen Wiesen stiegen erste Nebelfelder auf. Anfangs wabberten sie dicht über dem Boden, doch schon nach wenigen Augenblicken reichten sie bis an die Gipfel der Bäume. Immer rascher breiteten sich die undurchsichtigen Schleier von den Auen in Richtung Weg aus. Der Nebel hatte sie beinahe erreicht. Die Sicht betrug mit Glück noch an die zehn Meter. Ein erstes, mulmiges Gefühl ließ eine frostige Gänsehaut über ihren Rücken kriechen. Etwas war gerade dabei, die Welt um sie herum zu verschlingen. Und das, was nicht verdaut werden konnte, spuckte es als trübe Nebelschwaden wieder aus. Doro war kalt. Ihr war unwohl. Und im Moment musste sie sich zum Vorwärtsgehen zwingen. Stumm lauschte sie in die diffuse Undurchsichtigkeit, die sie umgab. Auf den sumpfigen Wiesen meinte sie, das matschige Geräusch von Schritten zu hören. Sie versuchte sich mit der Erklärung zu beruhigen, dass die Gegend um Kirchbronn reich an Wild war. Rehe, Füchse, Hasen, Wildschweine. Zu ihrem eigenen Erstaunen half diese Vorstellung tatsächlich gegen die Angst. Nun trieb sie plötzlich eine unsichtbare Kraft trieb voran und sie richtete den Blick starr auf den Boden unter ihren Füßen, denn bei dem dichten Nebel wollte sie nicht auch noch vom Weg abkommen. Es gab in dem moorigen Gelände Flächen, in denen sie spielend leicht bis zur Taille einsinken konnte. Mit Glück verirrte sie sich bloß, was am Ende die gleiche Konsequenz für sie bedeutete. Niemand wusste, wo sie war und deshalb würde auch keiner nach ihr suchen. Sie hätte eine kalte, endlos lange Oktobernacht im Moor ausharren müssen. Ein weiteres Mal überlegte Doro umzukehren. Wenn sie jedoch Pech hatte, war die Nebelwand schon weit das Tal hinaufgezogen. Vielleicht hatte sie sogar schon Kirchbronn erreicht, dann… Sie fröstelte bei dem Gedanken, die nächsten anderthalb Stunden durch nichts anderes als diese Wabbersuppe zu stapfen und sie bereute, dass Lille nicht über ihren Ausflug zu Maar Bescheid wusste. Abgesehen davon, wäre jeder halbwegs normale Mensch mit dem Auto hierher gefahren. Sie hatte keine Ahnung, welcher Teufel sie zu diesem Gewaltmarsch überredet hatte. Wenigstens konnte sie mit der Wut, die augenblicklich in ihr aufstieg, ihre Angst im Zaum halten. Ungläubig legte sie den Kopf schief, dann blieb sie abrupt stehen. Es war das feucht quietschende Geräusch, das ihre Schritte plötzlich verursachten. Zuerst wollte sie nicht wahrhaben, dass sich der Boden unter ihren Füßen seit geraumer Zeit anders anfühlte. Sie spürte nicht mehr die unebene Oberfläche des schmalen, steinigen Pfads unter ihren Turnschuhen, sondern einen federnden, nassen Untergrund. Immer mehr Feuchtigkeit drang in ihre Sneakers, durchnässte ihre Socken und machte ihre Füße unangenehm kalt. Langsam senkte sie ihr Gesicht und starrte auf die flache, grasige Pfütze unter ihren Füßen. Ihr Verstand sagte ihr, dass der Weg nur wenige Meter von ihr entfernt liegen konnte. Ihr Gefühl beharrte fest auf dem Eindruck, dass sie sich verirrt hatte. Nur noch in einem Punkt bestand vage Einigkeit, sie musste sich rechts halten, um wieder trocken Boden unter die Füße zu bekommen. Doro zwang sich, nicht augenblicklich in Panik zu verfallen. Mit kleinen, vorsichtigen Schritten, arbeitete sie sich voran. Das Gras bot ihren Augen keine Anhaltspunkte und wenn sie ihren Blick hob, starrte sie in eine weißgraue Wand. Eigentlich hätte sie schon lange wieder auf dem Weg sein müssen, aber immer noch quietschte das nasse Gras unter der Last ihrer Schritte. Der dichte Nebel nahm ihr jegliche Orientierung und mittlerweile bezweifelte sie stark, dass sie, unter diesen Wetterverhältnissen, überhaupt den Pfad zur Mühle fand. Wahrscheinlich irrte sie längst hilflos im Kreis.
Doros rechter Fuß blieb an einem hochstehenden Grasbüschel hängen. Sie stolperte, ihre Arme schnellten nach vorn und gruben sich tief in den matschigen Boden, um den Sturz zu verhindern. Sie rappelte sich auf, spürte einen stechenden Schmerz in ihrer Hüfte, knickte um und stolperte um Haaresbreite erneut. Eine beklemmende Mischung aus Angst, Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung breitete sich in ihr aus. Und allzu lange ließ sich dieses Gefühlschaos nicht mehr kontrollieren. Noch einmal suchten ihre Augen das Gelände ab. Links von ihr meinte
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