Dämonendämmerung - Die Auserwählte (German Edition)
Beute beschert. Zum Abschied beugte er noch einmal sein Haupt zu ihr hinab, um sie zu küssen. Nicht derb und stoisch wie es die meisten menschlichen Männer getan hätten, sondern leidenschaftlich und erregend, wie es sein ureigenes Wesen von ihm verlangte. Die Unterwelt hatte mit ihm eine Kreatur geschaffen, die an Perfektion in Sachen Inbrunst und Wollüstigkeit, in gleich welcher Gestalt, nicht zu überbieten war. Und genau das wollte er ihr beweisen.
Seine weichen Lippen berührten ihre, während seine klauenartigen Hände flink die Knöpfe ihres Nachthemdes öffneten. Er schob den Stoff zu Seite und entblößte ihren alabasterweißen Leib. Er konnte fühlen, wie sich ihr Körper unter seinen seidigen Berührungen entspannte. Ihre Hände begannen kaum merklich seine muskulösen, sehnigen Unterarme zu ertasten. Spätestens jetzt war der Moment gekommen, an dem er sich hätte zurückziehen müssen. Die Gefahr, dass sie erwachte, wuchs mit jeder Sekunde. Doch ein Spiel, das ihn derart erregte, ließ jede noch so große Gefahr verblassen. Auch ein Incubus hatte Schwächen und so war es genau ihm in diesem Moment unmöglich, von ihr abzulassen.
Kerstin Dörr schlug die Lider auf. Zuerst sah sie ihn nur überrascht an. Ihre Augen folgten seinen Armen bis zu seinen knöcherigen Finger, die in schwarz glänzenden Krallen endeten und die immer noch sanft ihre Brüste umfasst hielten. Jetzt blickte sie ihm direkt ins Gesicht. Er wusste, was sie sah. Einen Widderkopf mit langen spitzen Fangzähnen und stechend goldgrünen Augen. Ihr Mund und ihre Augen schienen sich in Zeitlupentempo zu weiten und auch ihr Geruch veränderte sich ebenso rasant wie dramatisch. Der ganze Raum war plötzlich von dem Gestank nach faulem Fleisch erfüllt. Gelals Hände lösten sich von ihr. Angeekelt sprang er vom Bett auf und wich mit einer unmenschlich schnellen Bewegung in den Schatten hinter dem bodentiefen Vorhang. Der Gestank ihrer Panik wurde immer unerträglicher.
Kerstin Dörr schrie. Es war ein markerschütternder, schriller Schrei, der in seinen feinen Ohren schmerzte und seine Konzentrationsfähigkeit beeinträchtigte. Quälend lange Sekunden vergingen, in denen Kerstin Dörr schrie und Gelal versuchte, seine Körperlosigkeit zurückzuerlangen, die es ihm ermöglichte, unerkannt zu fliehen. Das Licht ging an und er hörte die Stimme des Mannes.
„Was ist los mit dir? Warum schreist du so?“
„Da ist etwas in unserem Schlafzimmer“, sagte die Frau mit Angst belegter Stimme.
„Wo?“, fragte der Mann.
„Dort hinter dem Vorhang.“
Der Mann ging auf den Vorhang zu, schlug ihn zurück und blickte dahinter. „Da ist nichts. Aber ich habe den Eindruck, dass es unter dem Fenster reinzieht.“
Kerstin Dörr saß steif vor Angst auf dem Bett. Sie hielt notdürftig das aufgeknöpfte Nachthemd zu.
„Hier schleicht Irgendetwas durchs Haus und alles was dich beschäftigt sind undichte Fenster?“
Jürgen Dörr setzte sich zu seiner Frau auf die Bettkante. „Beschreib mir bitte dein Irgendetwas , damit ich wenigstens weiß, wonach ich Ausschau halten muss.“
„Ich glaube, es hatte eine Ziegenfratze mit einem grauenvollen Gebiss. Herrgott, es war dunkel, ich hab es nicht richtig erkannt. Aber es hat mich angefasst.“
Dörr legte seinen Arm um die Hüfte seiner Frau und bedachte sie mit einem mildenLächeln. „Weißt du, was ich glaube?“
Kerstin Dörr hob in einer ahnungslosen Geste die Schultern und schüttelte den Kopf.
„Entweder hast du schlecht geträumt oder deine Fantasie hat dir einen ganz üblen Streich gespielt. Der ganze Stress in den letzten Wochen war einfach zu viel für deine Nerven. Wenn du meine Meinung hören willst: Geh zu einem Spezialisten, der sich mit solchen Dingen auskennt.“
„Du meinst, ich soll zum Psychiater? Hältst du mich etwa für verrückt?“
Dörr war in der Zwischenzeit wieder auf seine Seite des Bettes zurückgekehrt. Er deckte sich zu und bettete sein Haupt bequem auf das Kissen. „Nicht doch, Schatz“, sagte er und tastete nach dem Lichtschalter seiner Nachttischlampe, „Ich möchte nur, dass du dir rechtzeitig helfen lässt, ehe diese Wahnvorstellung ähnliche Formen annehmen wie bei Nadine.“ Er knipste das Licht aus. Das Zimmer versank im Dunkeln.
„Du bist und bleibst ein Arschloch, Jürgen Dörr“, murmelte Kerstin.
„Ich weiß, aber damit kann ich leben. Und jetzt schlaf weiter.“
Gelal verließ das Schlafzimmer auf demselben Weg, wie er es betreten
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