Dämonendämmerung - Die Auserwählte (German Edition)
hatte.
Kapitel 8 – Neuanfänge
Die Betriebsversammlung war auf zwei Uhr nachmittags in der Kantine angesetzt worden. Nach dem Mittagessen drang eine halbe Ewigkeit lang der Lärm von hektischem Stühle- und Tischerücken quer über den Innenhof zu Doros Büro herüber. Nun herrschte seit ein paar Minuten wieder Ruhe. Sie sah von ihrem Laptop auf und warf einen Blick auf die schnörkellose, leicht vergilbte, quadratische Kunststoffuhr an der Bürowand. 13.50 Uhr. Sie speicherte die Datei ab, an der sie gerade arbeitete und räumte eilig ihren Arbeitsplatz zusammen, dann schnappte sie ihren Rucksack, um als Nächstes Lille am Empfang abzuholen.
Die Kantine befand sich im selben Nebengebäude wie der Drucksaal. Der große Raum erstreckte sich über anderthalb Ebenen. Der Bereich mit der Essensausgabe lag ein paar Stufen höher und bildete im oberen Bereich eine Art Podium. Aus dem tiefer gelegenen Teil waren sämtliche Tische hinausgetragen und durch lange akkurate Stuhlreihen ersetzt worden, damit die Belegschaft hier unten vollständig Platz fand. Auch vor der Essenausgabe waren alle Tische bis auf zwei, die mit den Schmalseiten aneinander standen, entfernt worden. Dahinter standen fünf Stühle. Die Szenerie erinnerte an ein lieblos improvisiertes Bühnenbild.
„Ich bin gespannt, wer heute alles aufläuft“, raunte Doro Lille zu, während sie ihre Freundin in eine Stuhlreihe im hinteren Drittel drängte. Ihrer Meinung nach gab es Anlässe, bei denen brauchte man keinen Logenplatz in der ersten Reihe und der Gegenstand der heutigen Betriebsversammlung fiel genau in diese Kategorie.
„Ja. Ich vermute stark, dass auch Heyder mit von der Partie ist“, antwortete Lille und setzte sich neben Doro in die ansonsten noch unbesetzte Stuhlreihe.
„Wie kommst du darauf?“ Doro suchte nach einem Platz, an dem ihr Rucksack bei der engen Bestuhlung nicht sofort zum Stolperstein wurde.
„Weil sein Auto auf dem Besucherparkplatz steht.“
Doro entschied, den Rucksack auf den Schoß zu nehmen. Sie umklammerte ihn so fest, als könne der nächste Satz ihn ihr entreißen. „Dann will er den Boten wohl wirklich übernehmen.“
„Sieht fast so aus.“
Die Belegschaft war mittlerweile fast komplett versammelt, bloß von den Hauptakteuren fehlte jede Spur. Doro ließ den Blick über durch die Kantine wandern. Die meisten Anwesenden verharrten in einer undefinierbaren Form der Regungslosigkeit auf ihren Plätzen. Ein paar wirkten nachdenklich, andere teilnahmslos, jedoch der überwiegende Teil schien dieselbe Anspannung in sich zu tragen wie sie selbst. Kaum einer redete ein Wort mit seinem Nachbarn. Für sehr viele Menschen im Raum entschied das heutige Ergebnis nicht nur über ihre weitere Zukunft, sondern über ihre nackte Existenz und die soziale Stellung, die sie künftig einnahmen. Ob sie die Kredite für ihre Häuser und Wohnungen noch bezahlen konnten oder den Fußballverein für den Sohn oder den Ballettunterricht für die Tochter… Die Angst und die Verunsicherung, wie es weiterging, lagen als sichtbares Abbild auf den jeweiligen Gesichtern.
Lille stieß Doro mit dem Ellbogen an und nickte in Richtung der Eingangstür. Sattmann, sein Stellvertreter und Druckereileiter, Theo Liebmann, Bürgermeister Bechtle, Thomas Heyder und ein schmächtiger Mann mit blondem, seitengescheiteltem Haar, runder Brille und dunklem Nadelstreifenanzug betraten die Kantine.
„Da kommen unsere Heilsbringer“, flüsterte Lille.
„Oder unsere Hiobsbotschafter. Das kommt ganz auf den Betrachtungswinkel an.“
„Hör auf, immer nur Schwarzzusehen. Was wäre so schlimm daran, wenn Heyder den Boten übernimmt?“
„Ich kann dir nicht sagen warum, aber ich mag diesen Kerl einfach nicht.“
Die Delegation hatte die Bühne erreicht. Sattmann nahm in der Mitte Platz, rechts neben ihm folgte Liebmann und rechts außen Bechtle. Zu Sattmanns Linker setzten sich Heyder und sein Adlatus, der sich kurz darauf als Hermann Schulz und Heyders juristischer Beistand vorstellte.
Sattmann richtete als Erster das Wort an die Mitarbeiter. Eigentlich brauchte er nicht viel zu erklären, denn jedem in der Kantine war bewusst, dass es für den Boten in seiner jetzigen Form nur noch das Aus gab. Eugen Sattmann versuchte es trotzdem:
„Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie Sie alle wissen, durchschiffen wir mit unserer Lokalzeitung im Moment schwere Gewässer, die unsere gesamte Aufmerksamkeit erfordern und die wir nur mit Hilfe von außen
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