Dämonendämmerung - Die Auserwählte (German Edition)
Regeln der Kunst hatte er sie geliebt, damit er sich an ihr berauschen durfte. Er hatte keinen ihrer Wünsche ausgelassen, hatte sich ihr nur mit einem Ziel hingegeben, bis in ihr Innerstes vorzudringen, bis zu ihrer Seele, dem reinsten und unschuldigsten Teil, den ein menschlicher Körper bot und gleichzeitig auch den verletzbarsten. Keine anderen Wunden konnten derart hässlich schmerzen wie die, die sich auf der Seele befanden, denn die Seele bildete den Ursprung aller Emotionen. Wie kristallklares Wasser aus einer Bergquelle sprudelten unverfälschte Empfindungen an die Oberfläche des Bewusstseins und bereiteten dem jeweiligen Menschen Lust oder Last, Freude oder Leid, Zufriedenheit oder Verbitterung, Liebe oder Hass, Mut oder Angst, Macht oder Ohnmacht,… Menschliche Gefühlsregungen waren so vielfältig wie die Farbpalette eines Malers. Und genau so fühlte er sich auch in den Momenten der Heimsuchung. Er war der Künstler, dem es gestattet war, mit den verschiedenen Seelenregungen zu experimentieren. Er konnte sie mischen, wohl dosiert oder rein zufällig und beobachten, wie unter seinem Einfluss etwas Neues entstand. Er konnte Gefühle zum Leuchten bringen oder mit tiefem, hoffnungslosem Schwarz überziehen. Er konnte bei seinen Besuchen Liebe entfachen. Nur um sie kurz darauf wieder wie ein Leintuch von einem verhüllten Gemälde zu reißen. Gelal grinste amüsiert. Der Vergleich mit einem Maler gefiel ihm ausgesprochen gut.
Er sah auf die Frau herab. Sie hatte aufgehört, sich zu räkeln. Ihre Atmung ging gleichmäßig; wahrscheinlich träumte sie wieder einen ihrer belanglosen Träume, in denen die Menschen versuchten, ihre unbedeutenden Alltagsproblemchen zu bewältigen. Eigentlich war es Zeit sie zu verlassen, doch er war noch nicht satt. Hinter ihm lagen magere Zeiten, die an seinen Reserven gezehrt und ihn geschwächt hatten. In den letzten Wochen war es besser geworden. Die Menschen in Kirchbronn waren fröhlicher, zufriedener und hoffnungsvoller geworden. Thomas Heyder musste der Mann sein, der ihnen Mut gab, denn dieser Name tauchte in den Gefühlen der Bewohner immer wieder auf. Er war attraktiv, wohlhabend und in den Augen nicht weniger Frauen, war er der Heilsbringer, nach dem sie sich verzehrten. Somit hatte Heyders Auftauchen einen angenehmen Nebeneffekt, sein Einfluss versorgte ihn endlich wieder mit ausreichend Nahrung. Noch einmal würde er die Dunkelhaarige vor ihm heimsuchen und sich vorstellen, sie wäre seine Braut.
In den letzten Wochen war sie oft zur Mühle gekommen, manchmal sogar täglich. Fast erschien es ihm so, als hätte sie endlich sein Werben erhört. Es schmeichelte ihm, wenn sie zu ihm kam, vor allem aber machte es vieles für ihn leichter. Er brauchte sich dann nicht durch Fensterritzen, Schlüssellöcher oder Türspalten zu quetschen. In jeder Nacht, die sie bei Alexander Maar im Höllengrund verbrachte, war sie bei ihm. Er konnte ungehindert an ihr Bett treten, ihren Schlaf beobachten und über sie wachen. Die Versuchung in ihm war mit der Zeit immer größer geworden, wohingegen seine Selbstbeherrschung stetig schrumpfte. Irgendwann konnte er nicht länger widerstehen. Er hatte sich an ihrem jungen Leib gelabt, hatte von ihren honigsüßen Lippen gekostet. Nein, nicht im Schlaf, glücklicherweise verfügte er noch über ganz andere Möglichkeiten, derer er sich bedienen konnte. Vielleicht waren sie nicht unbedingt fair, doch sie führten ihn ans Ziel. Genau darauf kam es an, dass er seine Aufgabe erfüllte, dass er die Frau für sich gewann, die für ihn bestimmt war. Er konnte nicht einmal sagen, dass er sie heimgesucht hatte. Heimsuchen war ein hässliches Wort, denn es hatte den Beigeschmack des Benutztwerdens. Die Frau, die sich gerade in höchster Erregung unter ihm wand, die benutzte er. Ihr entzog er sämtliche Zufriedenheit und ihre Lebenskraft. Ihr weiteres Schicksal war ihm gleichgültig. Er war der Jäger und sie die Beute. Es gab kein Mitleid und auch kein Erbarmen, am Ende gab es bestenfalls einen Handel, der die Seele kostete. Ein Spiel, das nach denkbar simplen Regeln verlief und selbst für einfache Gemüter verständlich war. Ausnahmen gab es keine.
Bei seiner Braut verhielt es sich anders. Er musste sie von der Wichtigkeit seines Ziels überzeugen, dass es unabsehbare Konsequenzen hatte, falls sie ihm nicht folgte. Für seine, wie für ihre Welt. Und sie durfte sich ihm nur freiwillig anschließen, deshalb hatte er beschlossen, ihre Leiden zu
Weitere Kostenlose Bücher