DÄMONENHASS
Daseinszweck«, sagte Nathan und nickte. »Ja, und ihr erreicht etwas.«
Aber was nützt es denn, etwas zu erreichen oder zu leisten, was niemandem zugute kommt?, brachte der andere sein Argument auf den Punkt. Verstehst du nicht? Durch dich können wir dieses geheime Wissen all jenen weitergeben, die wir zurückließen. Es ist ja nur deshalb geheim, weil wir keine Möglichkeit haben, ihnen davon zu erzählen! Auf diese Weise kannst auch du etwas erreichen und deinem Dasein einen Sinn geben!
Nathan war ein paar Schritte in die Höhle gegangen. Sie glich eher einem Tunnel, eng und so niedrig, dass er sich bücken musste. Drinnen war es dunkel und kalt. Unsicher hielt Nathan inne und spürte, wie Rogei durch seine Augen sah, so wie einst sein Bruder Nestor durch seine Augen geblickt hatte. Halt!, sagte der andere. Das ist nicht die Höhle der Uralten. Sie liegt einen Zugang weiter. Du erkennst sie an den Verzierungen.
Sich rückwärts tastend ging Nathan wieder ins Sonnenlicht. Er war fast am Ende seiner Kräfte, und der Durst hatte sich zu einer ständigen Qual gewandelt. Mit jedem rasselnden Atemzug entwich weitere Feuchtigkeit aus seiner Kehle, seinem ganzen Körper. Er wandte sich um und spähte auf den steinigen Boden am Fuß der Klippe ... Das war ein Fehler. Die Welt schien sich um ihn zu drehen und sein Kopf wurde ihm gefährlich leicht! Er ließ sich auf alle viere nieder, wartete, bis er das Gleichgewicht wiedererlangte und kroch den Rest des Weges über den Sims zum Eingang des Tempels der Nichtmenschen.
Nichtmenschen?, dachte Rogei fragend. Ja, es gab Zeiten, da sind wir von den Szgany so genannt worden. Sie behaupten, dass von allen denkenden Kreaturen allein sie wahre Menschen sind. Nathan spürte ein Achselzucken. Aber das tun die Trogs auch. Und ich vermute, sogar die Thyre, oh ja. Wir haben alle unseren Stolz, aber Stolz ist nur eine Sache, und wir sind uns in mehr als nur einer Hinsicht ähnlich. Der Hauptunterschied besteht darin, dass wir auf dem Weg zu dem, was wir heute sind, eine andere Richtung einschlugen.
Nathan konnte nicht mehr sprechen; seine Gedanken mussten nun genügen. Ich will dich nicht beleidigen, sagte er, aber es ist unvermeidlich. Du hörst jeden einzelnen meiner Gedanken – einfach jeden! Ich kann nichts vor dir verbergen.
Er spürte das verständnisvolle ›Nicken‹ des anderen. Es erscheint dir unfair, ich weiß. Aber ich wurde mit meiner Telepathie geboren und übte mich jeden Tag darin, während sie in dir noch nicht ausgereift ist. Und als Necroscope bist du ebenfalls noch ein Anfänger. Aber es sind Fähigkeiten, die im Lauf der Zeit in dir wachsen werden.
Nathan schnaubte bitter auf. Immer vorausgesetzt, dass mir noch genügend Zeit bleibt!
Rogei wusste, was Nathan fehlte. Dort gibt es zwar nichts zu essen. Aber Wasser ... Vielleicht ist etwas da. Du musst es nur erreichen.
Dort drin? Nathan sah zum Eingang der Höhle, der viel größer war als die anderen.
Vielleicht, allerdings tief in ihrem Innern. Und das Delirium, das du dir so gewünscht hast, ist jetzt viel näher gerückt. In Rogeis geistiger Stimme lag ein Unterton der Verzweiflung. Ich kann spüren, wie die Flamme deines Lebens zu flackern beginnt.
Es wäre eine Schande, dachte Nathan abwesend, jetzt zu sterben, wo ich es nicht mehr wünsche! Er stand auf, lehnte sich an den Eingangsbogen der Höhle und sah mit verschwommenem Blick auf die verwitterten Verzierungen. Die Reliefs waren fast so alt wie die Wüste selbst und von verwehtem Sand bis zur Unkenntlichkeit abgerieben, aber seine bebenden Finger konnten noch die fließenden Konturen im Stein ertasten.
Zum ersten Mal spürte er eine Ehrfurcht, die beinahe jener gleichkam, die er empfunden hatte, als er am Kraterrand des Sternseiten-Tores gestanden hatte. Denn aus der Höhle umwehte ihn ein Hauch des Uralten. Aus ungeahnten Tiefen trug ein kühler Luftzug einen nicht ganz unangenehmen, muffigen Geruch herauf und ... einen Anflug von Feuchtigkeit.
Wasser, ja, aber tief unten, sagte Rogei wieder. Hinter der Höhle der Uralten. Tritt ein, Nathan Kiklu, Necroscope. Wir heißen dich willkommen.
Irgendwie schaffte Nathan es, einen letzten Speicheltropfen in seiner Kehle zu sammeln. »Wir?«, krächzte er. »Wie viele seid ihr denn? Und warum bist du der Einzige, der mit mir spricht?« Als er aus dem grellen Sonnenlicht in den kühlen Schatten taumelte, konnte er einen Augenblick lang nichts sehen, doch schon im nächsten Moment erblickte er vor sich
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