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DÄMONENHASS

DÄMONENHASS

Titel: DÄMONENHASS Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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die Wände des Tunnels, die sich in eine immer tiefere Düsternis erstreckten.
    Als wir deine Anwesenheit spürten und deine Gedanken und Träume hörten (Rogeis Antwort erklang nun wesentlich näher) und als wir hörten, wie du mit Wölfen sprachst, die so weit entfernt waren – das war nämlich kein Traum –, erwählten wir aus unserer Mitte einen Sprecher. Da du offenbar ein Szgany bist und ich zu Lebzeiten gelegentlich mit den Wanderern Umgang gepflegt habe, wurde mir, Rogei, diese Ehre zuteil.
    Nathan neigte sich nach vorn, bis er das Gefühl hatte, er müsse umfallen. Dann setzte er mühsam einen Fuß vor den anderen und stolperte im Zickzack den hohen, breiten Tunnel entlang. Schwerelos schien er von Wand zu Wand zu schweben. Aber obgleich sein Körper auf einmal so leicht war, wusste er doch, dass er dem Leben entglitt und jeder Schritt sein letzter zu sein drohte. Ich glaube ... ich sollte mich ausruhen, dachte er. Ich glaube, ich sollte mich sehr lange ausruhen. Aber jetzt, da es so weit ist, fürchte ich mich davor.
    Dann tu es nicht! Rogeis geistige Stimme bebte vor Anspannung. Glaube uns, Nathan, wenn der Tod auch nicht die Ödnis ist, für welche die Lebenden ihn halten, ist das Leben im Vergleich dazu doch eine Oase!
    Nathan nickte, ohne dass es ihm bewusst war. Aber diese Oase versiegt gerade.
    Der Gang verbreiterte sich, wurde zu einer Grotte, dann zu einer Höhle. Nathan trat aus der Düsternis ins Licht und sank in dem Staub, der sich hier angesammelt hatte, auf die Knie. Auf allen vieren kauerte er da, die Knöchel auf den Boden gestemmt, und ließ den Kopf hängen. Er wusste, dass dies nur die Höhle der Uralten sein konnte, eine Grabstätte der Thyre. Und allem Anschein nach auch die größte.
    Er reckte den Hals und sah nach oben.
    Durch die Mitte der Sandsteindecke verlief von Wand zu Wand wie der Pupillenschlitz einer Katze ein mit weißem Quarz gefüllter Riss, der wie aus Licht geschnitten schien. Die Höhle war über ihre gesamte gewaltige Länge gespalten worden, aber das Sickerwasser von Jahrhunderten hatte die Lücke mit Kristallen verschlossen, die allmählich zu Stein verhärtet waren. Von der Decke hingen kristallene Stalaktiten, und leuchtende, bucklige Stalagmiten erhoben sich wie schimmernde Kerzenstummel vom Boden. Und im gesamten Rund – in Alkoven und Nischen, auf Regalen und Simsen, die aus dem nackten Stein gehauen waren – lagen die mumifizierten Uralten der Thyre, deren leere Augenhöhlen Nathan zu mustern schienen, als er sie betrachtete.
    »Hier bin ich«, krächzte er, rollte sich auf den Rücken und ergab sich ohne weitere Fragen seiner merkwürdigen Lage.
    Rogei machte sich Sorgen und drängte: Nathan, du darfst schlafen, aber du darfst nicht sterben!
    Ach ja?, erwiderte er gedanklich. Willst du mich schon wieder aufhalten? Ein zweites Mal ist es vielleicht nicht mehr so einfach.
    Brüder!, rief Rogei aus. Diesmal wandte er sich nicht an Nathan, sondern an seine toten Gefährten. Hatten wir nicht recht? Spürt doch nur die Wärme seiner Gedanken! Ist er nicht ein Licht in der Finsternis? Wir können es nicht wagen, ihn sterben zu lassen! Und sie erkannten, dass er recht hatte.
    Die Stimmen von mehr als hundert toten Thyre erhoben sich, zunächst in einem gewaltigen Aufruhr, und brausten wie ein Windstoß durch Nathans verwirrten Verstand: Nathaaan! Doch rasch erkannten sie ihren Irrtum und begannen, ihn einzeln anzusprechen, sodass er sie binnen Kurzem voneinander unterscheiden konnte:
    Du darfst nicht sterben, Nathaaan ...
    Rogei hat reeecht ...
    Junger Szgany, du bist das Licht. Leuchte weiter für uns, Nathaaan ...
    Du bist eine Brücke zwischen den Welten, Necroscope. Wenn du fällst, ist eine Welt abgeschnitten auf eeewiiiig!
    Und weiter ging es, immer weiter, so viele von ihnen ...
    Wie Nathans eigene Gedanken waren auch die der toten Thyre warm wie weiche Decken. Sie hüllten ihn ein, als er am Boden lag; und als ihre Wärme ihn tröstend umgab, dämmerte er langsam in einen sanften Schlaf hinüber. Rogei machte sich jedoch Sorgen, dass Nathan womöglich nicht mehr aufwachen würde, und selbst im Tod quälte die Angst den Sprecher der Thyre so sehr, dass er sichergehen musste und alle erforderlichen Maßnahmen ergriff.
    Nathan war, als höre er das Knarren von uraltem Leder und ein Klappern, als rieben trockene Zweige aneinander. Es war ein sonderbares Geräusch, aber nicht sonderbar genug, ihn aus seinem vielleicht letzten Schlummer zurückzuholen. Dasselbe

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