DÄMONENHASS
galt für die Hand, die schließlich die seine umklammerte. Die Finger waren klein und welk, kühl und trocken ... eben tot. Aber die Gedanken, die mit ihnen einhergingen, waren warm, daher fürchtete Nathan sich nicht, obwohl jeden anderen mit Sicherheit die Angst gepackt hätte.
Der letzte Beweis, Nathan Kiklu, raunte Rogei, und seine staunende Stimme bebte unter dem Eindruck des Wunders. Ein Geheimnis, das nicht einmal ich kannte! Und jetzt ruhe, Nathan, ruhe dich aus.
Ja, ruhe dich aus, Nathaaan, hauchten die anderen im Chor aus ihren Nischen und Simsen in der Wand. Deine Flamme ist stark und wird nicht verlöschen. Doch sollte der Funke nur noch glimmen, sind wir hier, um ihm unseren Odem zu verleihen. Also schlafe, Necroscope, schlafe ...
DRITTES KAPITEL
Die Thyre waren keine Menschen, die ihre Toten einfach liegen ließen und den Aasfressern preisgaben. Ein Fuchs oder ein räudiger Hund konnte sich aus dem Grasland hierher verirren, oder ein Geier mochte den Weg zu den Höhlen finden. Aber wie Rogei von Anfang an gewusst hatte, war die Höhle der Uralten eine regelrechte Resonanzkammer. Wenn auch nur ein Schritt dort erklang oder das Schnüffeln eines Tieres, das Reißen alten Leders oder das Bersten jahrhundertealter Knochen, fand der Widerhall dieser Geräusche unweigerlich den Weg in die Tiefe.
Jenseits eines Labyrinthes aus natürlichen und in den Stein gehauenen Gängen, Kavernen und Grotten war dem Wächter der Stätte bereits klar, dass jemand in die Höhle eingedrungen war. Nathans röchelnde Worte »Hier bin ich« waren wie der Schrei eines Riesen donnernd zu ihm heruntergehallt, das Flap-Flap-Flap von Nathans Sandalen hatte nachgeklungen ... und dann hatte der Wächter weitere, entsetzliche Geräusche gehört. Offenbar hatte jemand die Ruhestätte der Alten entdeckt und geschändet.
Während seiner langen Wache hatte der Wächter aus Respekt vor seinen Vorfahren in einem Vorraum in Sichtweite der heiligen Höhle gesessen. Er hatte sie nicht betreten, denn selbst der Staub darin war aus Menschen entstanden und daher heilig. Zum Ende seiner Wache hatte er von tief unten den trillernden Signalruf einer Pfeife vernommen und sich auf den Weg gemacht, um seiner Ablösung auf halbem Weg entgegenzukommen. Doch ehe sie zusammentreffen, ein paar Grußworte wechseln und jeder seiner Wege gehen konnte, war es geschehen: Ein Eindringling hatte die Höhle der Uralten betreten. Schlimmer noch, es war zwar ein Mensch, jedoch kein Thyre.
Der Wächter stieß einen Alarmpfiff aus, eine schrille Warnung, die, wie er wusste, von seiner Ablösung vernommen und in die dichter bevölkerte Unterwelt weitergegeben werden würde. Dann sandte er einen Gedanken aus – Jemand hat die Höhle der Uralten betreten! –, fuhr auf dem Absatz herum und eilte lautlos den Weg zurück, den er gekommen war, einen tief ausgetretenen Pfad entlang, der durch gewachsenen Fels, Kalkstein und schließlich die obere Sandsteinschicht führte. Als er sich der heiligen Höhle näherte, legte er einen langen Pfeil auf seinen Bogen.
Jetzt war alles still. Der Eindringling rührte sich nicht. Vielleicht hatte der das Herannahen des Wächters gehört und lag nun im Hinterhalt! Vorsichtig ging der Wächter weiter und ließ seinen großen, grünen Pupillen Zeit, sich zum Ausgleich gegen das Licht in der Quarzkammer zu verengen. Erst dann trat er ein. Er stand stockstill, hatte den Bogen gespannt und den Pfeil in die Kammer gerichtet und sah ...
... einen Mann, der auf dem Boden der Kammer zusammengebrochen war. Der Eindringling war ein Szgany, doch er befand sich nicht allein dort. Neben ihm lag eine harmlose, alte Mumie, ein Haufen aus Lumpen und alten Knochen. Eine Mumie der Alten. Die Grabstätte war geschändet worden!
Der Wächter schlich näher und zielte dabei direkt auf das Herz des jungen Mannes. Er kannte ihn zwar nicht, aber er wusste, dass er sterben musste – für das, was er dem Uralten angetan hatte, dessen Knochen in einer langen Spur auf dem staubigen Boden verstreut lagen. Die Thyre töteten keine Menschen, aber dieser hier musste sterben! Nur ... was hatte sich hier zugetragen?
Die beiden lagen längs voreinander, die Füße in entgegengesetzte Richtungen gestreckt. Ihre rechten Hände berührten sich, hielten einander fest. Einer von ihnen war ausgesprochen tot, und zwar schon seit, nun, seit Langem. In dem anderen war noch ein bisschen Leben. Aber der Thyre-Wächter war ein geschickter Fährtensucher. Oft ging er bei
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