DÄMONENHASS
müssen wir deinen Vater Ekhou und deine Mutter Amlya rufen lassen, die mich besser kennen. Ich weiß, dass sie nicht tot sind, sonst hätte ich in der Höhle der Uralten mit ihnen gesprochen!«
Petais schüttelte heftig den Kopf, stand auf und setzte sich sofort wieder. Ihm fehlten die Worte. Dem Allerältesten jedoch nicht. »Wer spricht jetzt, du oder Rogei?«
»In gewisser Hinsicht wir beide«, gab Nathan zur Antwort. »Ich wiederhole seine Worte so genau, wie ich kann.«
Der Älteste nickte, streckte eine bebende Hand aus und berührte Nathans Arm. »Ich spüre, dass es wahr ist«, sagte er und starrte ihn aus aufgerissenen Augen an, ohne zu blinzeln. »Ganz offenbar ist ein großes Wunder über uns gekommen!«
Petais stöhnte auf und sagte: »Dennoch müssen wir sichergehen!«
»Ich bin mir sicher«, antwortete der Allerälteste. »Du erinnerst dich nicht, Petais – natürlich nicht, du warst ja noch ein
neugeborenes Kind –, aber ich war ebenfalls zugegen, als deine Mutter dich zu dem sterbenden Rogei brachte, und er war wahrlich stolz auf dich. Ich weiß es, denn ich bin Rogeis Neffe, der Sohn seines Bruders!«
Petais nickte und schien ein wenig zu schrumpfen. »Was sein muss, muss sein. Aber es musste so oder so entschieden werden.«
Ich hatte recht, Nathan, seufzte Rogei. Der Allerälteste ist mein Neffe Oltae!
Noch während er diese Worte hauchte, wandte sich der Genannte von Petais zu Nathan. »Ich weiß, dass du verstehen wirst, dass Petais recht hat«, sagte der Allerälteste. »Wir mussten sichergehen. Selbst jetzt müssen wir noch sichergehen.«
»Stelle mich nach Belieben auf die Probe, Oltae«, erwiderte Nathan.
Der Allerälteste keuchte auf, fuhr unmerklich zusammen und umfasste Nathans Arm fester. »So heiße ich, oh ja«, sagte er und nickte. »Und ich weiß, dass du meinen Namen nicht aus meinen Gedanken gestohlen hast, denn ich habe sie mit einem undurchdringlichen Schutzwall umgeben! Es bleibt nur noch eine letzte Prüfung, und ich bin zufrieden!«
Rogei ließ Nathan sagen: »Jetzt spreche ich als Rogei. Lass mich raten, worin die Prüfung besteht, Neffe. Hat sie mit deinem Eignungsverfahren für einen Platz unter den Fünf zu tun? Du warst damals ein junger Mann, so wie Petais heute, aber ich erinnere mich gut an deine Befragung, denn ich war dein Prüfer! Ich hatte viele Fragen an dich, aber eine deiner Antworten errang dir eine ausgezeichnete Bewertung! Erinnerst du dich daran, Oltae?«
»Oh ja, ich erinnere mich«, raunte der Allerälteste.
»Ich habe gefragt«, fuhr Rogei durch Nathan fort, »›Wann werden wir wissen, ob der Eine Der Zuhört existiert?‹ Und du gabst zur Antwort ...«
»Meine Antwort lautete«, unterbrach Oltae, der Allerälteste ihn, »›Wir werden dann wissen, dass Er existiert, wenn Er endlich zu uns spricht, was nicht eher sein wird, bis wir Ihn besser erkennen und verstehen können.‹« Oltae sah Nathan tief in die Augen, und einen Moment lang glaubte er, darin Rogei zu sehen, der ihn anlächelte. Aber als der Necroscope blinzelte, war das Bild verschwunden.
Der Allerälteste seufzte, nickte, wie es seine Gewohnheit war, und erhob sich mit knarrenden Gelenken, gefolgt von seinen vier Amtsbrüdern. Bevor sie gingen, meinte Oltae zu Nathan – und Rogei: »Ich glaube, dass wir heute – vielleicht – einen Schritt näher daran sind, Ihn zu verstehen!«
Und nur zu Nathan gewandt sagte er: »Ruhe dich aus, sammle deine Kräfte. Wir werden uns wieder unterhalten ...«
In den folgenden langen Tagen – von denen jeder einzelne, gemessen an der Zeitrechnung von Nathans unbekanntem Vater aus den Höllenlanden, eine ganze Woche zählte – erfuhr Nathan vieles und ›lehrte‹ auch viel. Jedenfalls nannten die Thyre es ›Lehren‹, wenngleich es Nathan so vorkam, als gäbe er lediglich die Botschaften der Uralten weiter. Doch gewiss waren die zuvor unwiederbringlich verlorenen Kenntnisse der Toten für die Lebenden von enormem Vorteil.
Nathan verbrachte lange Sitzungen mit dem Rat der Fünf in der Höhle der Uralten und stellte dort sein Talent als Necroscope zweifelsfrei unter Beweis. Die Lebenden der Thyre erwärmten sich ebenso für ihn wie die Uralten. Und wie einst Harry Keogh eine einzelne tapfer flackernde Kerze für die Toten einer weit entfernten Welt gewesen war, so wurde nun sein Sohn ein Licht in der Finsternis der dahingegangenen Thyre.
Ähnlich wie die Szgany besaßen auch die Thyre keine richtige Schrift. Anstelle von Worten
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