DÄMONENHASS
sagte er, »ob du durch mich mit Rogei sprechen kannst? Wenn du jetzt in meinen Geist kommen würdest, könntest du dann unsere Unterhaltung mitanhören?«
»Einen Uralten belauschen?« Sie richtete sich auf und machte ein womöglich noch besorgteres Gesicht. »Selbst ein Ältester würde sich das zweimal überlegen!«
»Dann glaubst du mir?«
»Wir sind Freunde.« Atwei zögerte etwas. »Das hast du selbst gesagt. Freundschaft erfordert zwei, die daran arbeiten. Wenn einer der beiden lügt, ist sie zerbrochen und wertlos. Das ist erwiesen – nicht nur unter den Thyre, sondern auch bei den Szgany, nicht wahr? Daher muss ich dir glauben – es sei denn, du erweist dich als Lügner.«
In Nathans Geist seufzte Rogei tief auf. Nun gut, führe dein Experiment durch. Mach schon. Es könnte sogar ganz nützlich sein. Wenn es funktioniert, erspart es uns eine Menge Zeit.
»Sehr gut«, sagte Nathan zu Atwei. »Er hat nichts dagegen. Und du brauchst dich nicht vor ihm zu fürchten. Schließlich ist er ein Thyre, er gehört zu deinem Volk. Außerdem ist Rogei ein totes Geschöpf und damit harmlos.«
Ein toter ›Mensch‹, Nathan, rief Rogei ihm in Erinnerung. Und glaube mir, nicht alle toten Dinge sind harmlos! Nun, tut sie es oder lässt sie es bleiben?
»Machst du es oder nicht?«, wiederholte Nathan Rogeis Frage.
»Wenn du es wünschst«, sagte sie. Sie trat um den Tisch und er wollte schon aufstehen. »Nein, bleib sitzen und ... sprich mit diesem Rogei.« Sie legte ihm eine kleine, zitternde Hand auf die Stirn.
Atwei, ich bin Rogei von den Uralten, einst Rogei der Älteste. Seine
geistige Stimme klang mit einem Mal streng.
Sie riss die Hand weg und barg sie an ihrer Brust. Nathan sprang auf. »Du hast ihn gehört?«
Ihr Mund hatte sich leicht geöffnet. Sie schloss ihn wieder, schüttelte den Kopf und sagte: »Nein ... aber ich habe etwas gespürt. Eine Präsenz!«
Ein Echo, sagte Rogei. Atwei fühlte eine winzige Spur, einen winzig
kleinen Geistesanteil von mir, der durch dein Bewusstsein verstärkt wurde. Es funktioniert nicht, und ich habe es auch nicht anders erwartet. Du bist der Necroscope, Nathan. Solche Begabungen sind nichts Gewöhnliches.
Auf dem Flur vor dem Zimmer erklangen leise, tapsende Schritte. Atwei wich zitternd zurück, wandte sich um und ging hinaus, um die Ältesten zu begrüßen. Rogei bemerkte Nathans Sorge und sagte: Nun, jetzt haben wir keine Zeit mehr. Wir müssen mit der Sache eben umgehen, so gut es geht. Es gibt mehr als nur einen Weg, um einen Kaktus zu schälen.
Die Ältesten traten ein.
Sie waren zu fünft, nicht alle waren ›alt‹ zu nennen, und gewiss war keiner hinfällig. Nathan schätzte ihr Alter anhand dessen, was er von den Älteren seines Dorfes wusste. Der Jüngste der fünf war vielleicht fünfundvierzig Jahre alt, während der Älteste weit jenseits der siebzig war. Zähle zu deinen Schätzungen noch wenigstens fünfzehn Jahre dazu, sagte Rogei. Die Thyre sind ein langlebiges Volk. Da jede Kolonie nur fünf Älteste hat, kann sich ein Mann noch nicht einmal Hoffnungen darauf machen, zu ihnen zu zählen, wenn er nicht wenigstens sechzig ist.
Nathan musterte die Ältesten nacheinander in aller Offenheit, jedoch mit Respekt. Der Jüngste war dürr und schon recht kahl, aber noch fast faltenlos. Seine Augen waren etwas kleiner als die seiner Gefährten; die Pupillen waren grau, blickten lebhaft und – wie Nathan meinte – mehr als nur ein wenig argwöhnisch. Von den anderen vier waren drei Thyre ohne jede Besonderheit. Sie waren in knielange, gebügelte und mit Gürteln befestigte gelbe Hemden gekleidet; ansonsten unterschieden sie sich nur durch ihr Alter voneinander. Der Letzte stach aus der Gruppe heraus. Er trug einen Goldreif um den Hals, hatte tiefe Runzeln, ging gebückt und trug das wallende, weiße Haar schulterlang. Seine Augen waren groß, schimmerten feucht und waren so gelb wie das Gold seines Reifs. Auf einen Blick war er als der Älteste der Ältesten zu erkennen.
Sie musterten Nathan von der Seite, versammelten sich um den Tisch und blinzelten, während ihre Augen sich den Lichtverhältnissen anpassten. Jeder trug einen kleinen Hocker bei sich, und sie nahmen in einem Halbkreis um Nathan Platz. Dann erhoben sie sich wieder und sahen ihn an.
Atwei stand hinter ihnen. Sie sagte: »Nathan, setz dich bitte.« Als er sich setzte, ließen auch sie sich nieder. Und ohne weitere Verzögerung begann die Befragung.
»Wir werden auf Förmlichkeiten
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