DÄMONENHASS
›Tonfall‹ fort: Nathan, diese Zahlen, die deine Träume heimsuchen ...
»Ach ja? Du hast mich ausspioniert?« Nathan wusste, dass es sich nicht so verhielt.
Das wohl kaum! Aber wir kommen nicht umhin. Schließlich bist du der Necroscope. Doch zu den Zahlen: Ich habe sie gesehen, wohl wahr. Und wie du weißt, verstehe ich mich ein bisschen darauf.
»Du verstehst den Mahlstrom?«
Er spürte den Eindruck eines Kopfschüttelns. Habe ich ihn
verstanden? Nein. Habe ich mich vor ihm gefürchtet? Ja, so wie ein Kind
den Blitz fürchtet! Im Vergleich dazu sind meine eigenen Berechnungen wie Ameisenspuren in der Wüste – rasch verweht –, während deine lebendig sind und auf ein Ziel zu arbeiten. Und so wie deine Totensprache unter den Lebenden einzigartig ist, ist auch der Mahlstrom allein dir zu eigen. Er ist ein Teil von dir, Nathan! Ich bin kein Philosoph, meine Gedanken sind seicht und mechanisch, aber ich spüre dies: Wenn du ihn eines Tages auslotest, wirst du deinem Schicksal einen großen Schritt näher gekommen sein. Vor langer Zeit gab es in Offen-zum-Himmel einen Ältesten, der ein Mathematiker war. Er ist nun tot, aber welch ein Hindernis stellt das schon dar? Vielleicht solltest du ihn aufsuchen.
»Vielleicht werde ich das tun«, sagte Nathan dankbar.
Schließlich sprach er mit demjenigen, der ihn am meisten
vermissen würde, nämlich Rogei, und stellte fest, dass er es nicht übers Herz brachte, seine wahren Absichten auch nur im Geringsten zu beschönigen. »Das ist mein letzter Besuch in der Höhle, bevor ich aufbreche«, sagte er zu ihm. »Ich glaube nicht, dass ich zurückkommen werde.«
Ich weiß, gab Rogei zur Antwort. Er versuchte sich unbeschwert zu geben. Denke nur ab und zu an mich, strecke deinen Geist aus und ... wer weiß? Vielleicht werde ich da sein. Aber wenn du nicht mit mir sprechen kannst, versuche mit Ihm der zuhört zu sprechen, denn ich bin sicher, dass er auch dir zuhören wird. Was Shaekens Worte betrifft: Wirst du den Mathematiker aufsuchen? Ich glaube, du musst es tun. Ich bin nun mal ein Philosoph und hege die Ansicht, dass ein Mensch seiner Bestimmung folgen muss.
»Wahrscheinlich werde ich zu ihm gehen«, sagte Nathan.
Außerdem, sagte Rogei, gibt es da etwas, was du wissen solltest. In der
Zeit deines Aufenthaltes hier hast du dich den Lebenden wie den Toten
gleichermaßen als Freund erwiesen, und ich habe versucht, es dir mit Gleichem zu vergelten. Ich habe mich bei den Toten der Szgany für dich eingesetzt und ihnen gesagt, welche Gelegenheit sie verpasst haben. Nur, sobald ich deine Kräfte erwähne, ziehen sie sich zurück. Aus irgendeinem Grund haben sie Angst vor dir.
»Das wusste ich«, sagte Nathan.
Der Grund ist einfach: Die Toten haben stets die Nekromantie gefürchtet, und da die Wamphyri wieder im Land umgehen, fürchten sie sie noch mehr als zuvor. Irgendwie bringen sie dich mit der Nekromantie in Verbindung. Nun ... sprechen sie nicht mehr mit mir! Aber ihr Szgany habt ein Sprichwort: ›Wie der Vater, so der Sohn‹, nicht wahr? Gut, und diesen Gedanken las ich immer wieder in ihren Bewusstseinen, bevor sie mich ausschlossen. Deshalb frage ich mich – ich zögere, diese Frage zu stellen –, aber könnte es vielleicht sein, dass dein Vater etwas getan hat, um die Toten der Szgany zu verprellen, und was sie nun veranlasst, dich zu meiden?
»Mein Vater Hzak Kiklu?« Nathan runzelte die Stirn. »Aber er war nur ein einfacher Mann, der wie so viele andere vor und nach ihm von den Wamphyri ermordet wurde. Ich habe ihn nicht einmal gekannt ... Ich war noch nicht geboren ... Was soll er denn getan haben?«
Rogei zeigte sich verwirrt. Ich konnte es nur versuchen, und es ist mir misslungen. Mehr weiß ich nicht. Da ist allerdings noch etwas, zu dem ich dir einen Rat geben möchte.
»Dein Rat ist mir immer lieb und teuer.«
Nathan, ich weiß, dass du es verdrängt hast. Die Älteren haben die
Angelegenheit nicht erwähnt. Sie kam nie zur Sprache. Weise Männer lassen manche Dinge ruhen. Doch bleibt die Tatsache bestehen, dass ich, als du Hilfe brauchtest, zu dir kam. Deine Macht geht über das bloße Sprechen mit den Toten weit hinaus. Verstehst du, was ich sage?
»Ich glaube schon, ja. Wie lautet dein Rat?«
Nur dies: Achte darauf, was du zu scheinbarem Leben erweckst, Nathan, denn einige Wesen sind womöglich schwer zu beseitigen ...
Nathan war sich nicht sicher, ob er alles richtig verstanden hatte, aber jedenfalls dankte er Rogei. Dann
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