DÄMONENHASS
machte sich sogleich daran, den Wahrheitsgehalt seiner Behauptungen zu beweisen.
Die Fünf hatten eine Reihe von Fragen ausgearbeitet, die Nathan ihren toten Vorfahren stellen sollte und deren Antworten keine Täuschung oder Verschleierung zuließen. Die Toten hatten wiederum durch die Uralten der Stätte-unter-den-gelben-Klippen von der bevorstehenden Ankunft des Necroscopen erfahren. Ihnen war sofort klar, dass diese einleitenden Fragen nur den einen Zweck verfolgten, Nathan gegebenenfalls als Scharlatan zu entlarven. Sobald daher die Verbindung erst einmal hergestellt war und die Toten die Freundlichkeit des Necroscopen spürten, gaben sie wohl bemessene Antworten, die mit einem nicht geringen Maß an Thyre-Sarkasmus durchtränkt waren, der auf die Ältesten selbst gerichtet war.
Dem ›Jüngsten‹ unter den Fünf gingen Nathans trockene und äußerst unmystische Antworten, die angeblich der Grabesstille entstammten, vermutlich so sehr gegen den Strich, dass er die Befragung unterbrach und fragte: »Vielleicht kannst du uns sagen, warum unsere Vorfahren so bereitwillig mit dir Umgang pflegen, aber nicht mit ihrem eigenen Volk?«
Da riss Nathan der Geduldsfaden. Dieser Älteste erinnerte ihn an Petais, und er hatte keine Lust, das ganze Gezeter noch einmal durchzumachen! Er setzte schon zu einer eigenen unsoufflierten Entgegnung an, aber eine Stimme in seinem Kopf warnte ihn davor und lieferte ihm sogleich die passende Antwort:
»Quatias, dein Vater Tolmia bittet dich, dass du dich an eine Zeit in deiner Kindheit erinnerst – da warst du fünf Jahre alt? –, als du dich nur eine Meile von Zum-Himmel-offen entfernt in der Wüste verirrtest. Du musstest nur eine Düne ersteigen, dann hättest du die Oase ganz deutlich gesehen, so nahe warst du ihr. Aber nein, du warst nur ein Kind und hattest Angst. Du setztest dich auf den Boden und weintest. Hüte dich, dass du dich nicht noch einmal im Gewirr deiner eigenen Zweifel verirrst, da du jetzt einer großen Wahrheit noch viel näher gekommen bist.«
Quatias sperrte den Mund auf, schloss ihn wieder und gab einen würgenden Laut von sich. Schließlich sagte er mit gebrochener Stimme: »Nur mein Vater Tolmia kann gewusst ... gedacht ... gesagt haben, was du gerade sagtest. Daher zweifle ich nicht länger. Nathan, bitte sage ihm, dass ich ihn sehr liebe!«
»Das weiß er«, gab Nathan zur Antwort. Sein Zorn war verflogen. »Und er liebt dich auch jetzt nicht minder, als er es im Leben tat.«
Kurz darauf fand die erste Sitzung ihr Ende. Die erschütterten Fünf mussten die Dinge neu überdenken und darüber nachsinnen, auf welche Weise sie Nathan am besten einsetzen konnten – falls er dazu noch bereit war. Also machten sie Anstalten, sich in ihre Ratskammern zurückzuziehen und über sein erstaunliches Talent zu beraten. Doch bevor er sie gehen ließ, sagte er: »Ihr sollt wissen, dass das Mädchen Atwei eine gute Freundin von mir ist. Sie hat sich um mich gekümmert, bis ich wieder gesund war. Nun verstehe ich, dass ihr über uns eure Zweifel hegtet. Das war nur natürlich, und ich mache es euch nicht zum Vorwurf. Aber das ist jetzt vorbei, und ihr müsst wissen: Wer Atwei schmäht, der schmäht auch mich.«
Er konnte es nicht wissen, aber von diesem Augenblick an wurde sie zu einem Teil der ihn immer stärker umrankenden Legende: Atwei von den Thyre, die Freundin Nathans ...
Und so wurde wie zuvor in der Stätte-unter-den-gelben-Klippen Nathan auch hier zu einer Brücke zwischen zwei Welten, jener, die den Lebenden gehörte, und der Finsternis jener, die weitergegangen waren. Zuvor war jedoch Wichtiges zu erledigen, und dazu gehörten Shaekens Erfindungen.
Im Einklang mit den Wünschen des Uralten gab er an die Handwerksmeister von Zum-Himmel-offen detaillierte Zeichnungen seines Wasserrades, der Presse und der Winde weiter, denen hier eine besondere Bedeutung zukam. Nach ihrer Fertigstellung lieferte Shaekens hydraulische Winde die Mittel für eine mühelose Bewässerung der über ihnen liegenden Oase, wodurch die Thyre gedeihen konnten.
Sobald diese technischen Einzelheiten weitergegeben und verstanden worden waren, richtete Nathan im Laufe der fünf folgenden Sonnaufs seine ganze Kraft auf die Aufgabe, die Verständigung zwischen den Lebenden und den Toten zu ermöglichen. Und wie in der Stätte-unter-den-gelben-Klippen gereichten auch hier die Früchte seiner Bemühungen den Menschen einhellig zum Segen, und auch diesmal verbreitete sich die Kunde vom
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