DÄMONENHASS
Necroscopen in die Außenwelt, und von den flussabwärts gelegenen Siedlungen trafen Gesandte der Thyre ein, um mit ihm zu sprechen.
Da jedoch diese Arbeit für ihn nichts Neues mehr war, blieb sie eben auch nur das ... bloße Arbeit. Sie war durchaus befriedigend, und Nathan gewann zahlreiche neue Freunde unter den Toten, aber er zog kein Vergnügen mehr daraus. Außerdem schien ihm die Zeit nur noch schneller zu verstreichen, und er hatte das Gefühl, er müsste eigentlich andernorts sein und andere Dinge tun.
Es war an der Zeit weiterzuziehen.
Atwei spürte diesen Drang in ihm. Vielleicht las sie ihn sogar in seinem angeblich ›unantastbaren‹ Geist. Aber Nathan machte ihr das nicht zum Vorwurf, weil er erkannte, wie traurig sie war ...
Eines Tages stiegen sie zur Oase auf, und im hellen Sonnenlicht erkannte Nathan, wie blass er geworden war. In seiner Nachdenklichkeit sprach er den Gedanken laut aus. »Wie kommt es«, fragte er sie, »dass ihr so braun seid, wenn ihr so viel Zeit in den Tiefen und der Finsternis verbringt?«
»Aber vor unserer Begegnung«, antwortete Atwei schlicht, »verbrachte ich viel Zeit im Licht. Die Thyre sind schließlich ein Wüstenvolk, und die meisten unserer Arbeiten führen uns an die Oberfläche. Außerdem wurde ich mit brauner Haut geboren. Aber warum seid ihr so bleich, da ihr doch in den Wäldern und im Sonnenschein geboren wurdet?«
Er zuckte die Achseln. »Wir sind also verschieden.«
»Sind wir so verschieden, Nathan?«
Er sah sie an und stellte sich die gleiche Frage. Sind wir es? Und fast ehe er es begriff, wusste er – und hörte –, was sie dachte: Wenn ich eine Szgany wäre oder er ein Thyre, dann wären wir Liebende. Er läge dann in meinen Armen, und ich würde spüren, wie er in mir pulsiert. Und ich würde seinen Rücken streicheln, während meine Schenkel den Saft aus ihm pressen.
Telepathie ... Oder tat sie es absichtlich? Letzteres ganz sicher nicht, denn sie war eine Thyre, und daher hätte es sich nicht geziemt. Atweis Gedanken verrieten jedoch ihre nachdenkliche Stimmung. Nathan hat recht: Wir sind verschieden. Und ich muss ihn so lieben, wie ich einen Bruder liebe.
Dann bemerkte sie seinen Blick, in dem wohl etwas Fragendes gelegen hatte, und sah rasch beiseite. Er tat, als sei nichts geschehen, als habe er nichts bemerkt; er wollte sie nicht in Verlegenheit bringen. Ihr Geist hatte sich jetzt ohnehin verhüllt. Sie hatte eine Abschirmung darüber gelegt, und er musste annehmen, dass sie einen Verdacht hegte. Zur gleichen Zeit überkam ihn jedoch eine blitzartige Erkenntnis, durch die ein Rätsel, das ihn schon lange beschäftigt hatte, seine Lösung fand. Von Anfang an hatte er sich gefragt, weshalb die Thyre, die lebenden Thyre, ihn so gut verstanden, wenn er etwas sagte. Nun kannte er die Antwort:
Wenn Nathan mit den toten Thyre sprach, geschah es in der Totensprache, aber hinter ihren geistigen Stimmen und Bildern hatte er stets auch einen Widerhall ihrer gesprochenen Sprache wahrgenommen. Und jetzt begriff er, wie leicht es für einen Telepathen war, zum Sprachenkenner zu werden. Wenn hinter den Gedanken der Widerhall der Worte lag, fiel es nicht schwer, eine Sprache zu erlernen. Ähnlich verhielt es sich mit den lebendigen Thyre: Sie hatten die Sprache der Wanderer nicht aus seinem Geist gestohlen, jedenfalls nicht unmittelbar. Schließlich hatten sie schon seit langer Zeit mit den Szgany Handel getrieben und waren somit ihrer Sprache ohnehin einigermaßen mächtig. Nein, gestohlen hatten sie sie nicht, aber sie hatten sie in seinem Ausdruck gelesen, in seinen Augen erblickt und trotz gewisser Tabus und ›unausgesprochener Regeln‹ im Widerhall seiner Gedanken gelesen!
Und er begriff, warum er plötzlich große Teile der Thyre-Sprache verstand, deren gesprochene Worte er in seiner Umgebung vernahm – denn er hatte sie auf genau die gleiche Weise gelernt! Atwei hatte recht: Beizeiten würde auch er zu einem Telepathen werden.
Als all dies über ihn hereinbrach, war es für Nathan ein Schock ... und eine Offenbarung zugleich! Besonders was Atweis Gefühle für ihn betraf. Diese Art ihrer Gefühle für ihn überzeugte ihn mehr als alles andere, dass es wahrlich an der Zeit war, seine Reise fortzusetzen, solange sie noch mit brüderlichen Gefühlen an ihn dachte ...
In der Kaverne der Langen Träume sprach Nathan inmitten der verdorrten Toten und ihrem Gedankenchor mit Ethloi, dem Ältesten, der sich mit Zahlen auskannte. Von dem
Weitere Kostenlose Bücher