DÄMONENHASS
schon im Begriff war davonzuspringen, rief Lardis ihm nach: »Aber wohin willst du gehen? Und was hast du vor? Vielleicht wäre es besser, wir gingen gemeinsam.«
»Zum Tor.« Der andere hielt noch einmal kurz inne und witterte die Nachtluft. »Dort spüre ich sie. Ich weiß nicht, was die Grauen Brüder ausrichten können, aber du und die deinen würden uns nur aufhalten.«
Wieder wandte er sich ab – und stieß mit einer schlanken Wölfin zusammen, die mit langen Sprüngen aus den Schatten hervorkam. Ihre Augenbrauen waren dicht und weiß wie der Schnee auf den hohen Gipfeln. Sie sahen sich an, vielleicht tauschten sie auch Botschaften aus; sie winselte kurz, und Harry Wolfsohn biss nach ihr, ließ jedoch die Zähne mit Bedacht in der Luft zusammenschnappen. Offenbar war die Wölfin seine Gefährtin. Zu Lardis sagte er: »Sie wird hierbleiben, wo es keine Gefahr mehr gibt.«
Lardis unternahm einen letzten Versuch. »Meine Männer und ich, wir machen uns ebenfalls dorthin auf. Wir müssen es sehen. Ich muss es wissen.«
Der Tiermensch dachte kurz darüber nach, dann knurrte er mit kehliger Stimme: »Dann lasse ich euch einen Führer zurück. Folgt ihm, er kennt den leichtesten Weg ...«
Lardis kehrte zu seinen Männern zurück. Sie waren fast allein; das Wolfsrudel war wieder mit den Schatten verschmolzen, und nur ein einzelner grauer Bruder war zurückgeblieben. Lardis entdeckte ihn sogleich, einen Umriss mit flammenden Augen, der nervös und ungeduldig oben am Osthang des Gartens wartete. Kirk Lisescu nickte und meinte: »Der da ist hier geblieben; offenbar soll er uns im Auge behalten!«
Lardis schüttelte den Kopf. »Nein«, berichtigte er seinen Kameraden, »er ist unser Führer. Wir sollen ihm zum Tor zu den Höllenlanden folgen. Zumindest versuchen wir, so nahe heranzukommen, dass wir sehen, was dort vor sich geht.«
Sie kämpften sich den steilen Osthang hinan und sahen auf die Sternseite herab, die in unheimlichen Blautönen vor ihnen ausgebreitet lag. Die Geröllebenen, die bis zu einem gekrümmten, vom Polarlicht erleuchteten Horizont reichten; zu ihrer Rechten die sich ostwärts erstreckenden, gezackten Gebirgskämme – scheinbar endlose Meilen durch Berge und Höhen, die sie bis zu ihrem Ziel noch zurückzulegen hatten, dort, wo die öden Felshöhen auf den pockennarbigen Krater hinabblickten, der das Tor zu den Höllenlanden beherbergte.
Lardis war nur ein einziges Mal dort gewesen, und zwar in seiner Jugend (natürlich bei Sonnauf, als die Sonne am höchsten stand und die Wamphyri schliefen und hinter den verhangenen Fenstern ihrer Horste scharlachrote Träume träumten). Doch schon damals hatte er den Ort als unheilvoll, beunruhigend, unfassbar empfunden. Die große, weiße Kugel aus Licht, die wie das aus seiner Höhle hervorquellende boshafte, bösartige Auge eines vergrabenen Riesen aus der Erde ragte, verlieh ihrer Umgebung die aussätzig graublaue Färbung verwesenden Fleisches. Der steinige Krater selbst, der den Rand des Tores bildete, war mit Löchern übersät wie verrottetes Holz, an dem sich die Bohrwürmer gütlich taten, überall mit fremdartigen Wurmlöchern durchsetzt. Selbst der schiere Felsen ...
Als Lardis sich dort aufgehalten hatte, war ein Fledermausschwarm umhergeflattert, um Mücken, Motten oder andere Insekten zu jagen, die durch das Sonnenlicht, das durch einen Pass im Grenzgebirge schien, ausgebrütet oder erweckt worden waren. Ein wohl leicht verwirrtes Tier war zu dicht am Tor vorbeigeflitzt; sein Hautflügel berührte die scheinbar feste Oberfläche aus weißem Licht, und es war spurlos verschwunden, als hätte der gleißende Schein es geradezu in sich aufgesogen! Lardis hatte die Stelle noch eine Zeit lang im Auge behalten, aber die Fledermaus war nicht wieder aufgetaucht.
Dies war ihm eine Warnung gewesen: Komm dem Tor nicht zu nahe! Ah ja, doch damals hatte Sonnauf geherrscht, während nun gerade Sonnunter angebrochen war. Und Lardis hatte ganz bestimmt nicht vor, allzu nahe heranzugehen. Wenn Wamphyri sich dort herumtrieben? Blanker Wahnsinn! Er hatte jedoch einen Plan, der wie stets ganz einfach war.
»Seht ihr den Grauen?«, fragte er. »Wie er zur Baumgrenze schnürt? Er erkennt jeden Baum wie einen alten Freund wieder, ebenso die Pfade dazwischen. Wir kommen am schnellsten voran, wenn wir seiner Fährte folgen.«
»Lardis«, sagte Andrei Romani leichthin, »du musst wahnsinnig sein! Eigentlich haben wir allesamt unseren Verstand verloren, wir alle
Weitere Kostenlose Bücher