DÄMONENHASS
miteinander! Das blaue Funkeln der Sterne hat uns in den Irrsinn getrieben!«
»Ach ja?« Lardis sah ihn kaum an, während er sich einen Weg durch die geröllübersäten Felszacken suchte. »Erkläre mir das mal.«
»Auf der Sternseite herrscht Sonnunter«, fuhr der andere fort, »und alle Menschen, die bei klarem Verstand sind, halten sich irgendwo versteckt. Aber wir? Wir folgen einem Bergköter, um nachzusehen, was die Wamphyri denn so vorhaben! Wir sollten uns irgendwo in einem Loch auf der Sonnseite aufhalten, warten, dass die Sonne aufgeht, und darum beten, dass wir dann noch da sind, um sie aufsteigen zu sehen!«
»Aber weil wir es nun mal hassen, uns auf der Sonnseite in Löchern zu verkriechen, sind wir doch hier«, sagte Lardis. »Ich für meinen Teil ziehe die Behaglichkeit meines Hauses am Hang vor, das kannst du mir glauben – ich finde bloß keinen Frieden, solange ich weiß, dass die Wamphyri nachts Jagd auf uns machen. Und jetzt ... Nun, jetzt habe ich eine Gelegenheit, mit eigenen Augen zu sehen, wie viele es sind und wie unsere Chancen stehen. Damit wir, wenn wir zur Sonnseite zurückkehren, wissen, was von beidem wir zu tun haben: Entweder raten wir den Szgany von Siedeldorf und den anderen Städten zu den Vorsichtsmaßnahmen, die sie ergreifen müssen, oder wir sagen ihnen, dass es die Wamphyri erwiesenermaßen nicht mehr gibt! Und lass mich dir noch eins sagen, Andrei ...« Doch da hielt er inne.
Denn im letzten Augenblick hatte Lardis erkannt, dass eine gefährliche Leidenschaft in ihm aufgeflammt war. Es steckte in seinem hitzigen Blut, in der Weise, wie er die Worte förmlich ausgespuckt hatte, dass er begriff, er stand kurz davor, einen Schwur auszusprechen. Er war ein Szgany und stolz darauf und zudem ein Anführer. Wenn ein Schwur einmal ausgesprochen war, konnte er nicht widerrufen werden. Jedenfalls nicht, wenn man damit weiterleben wollte.
»Ach?«, drängte Andrei. »Du willst mir etwas sagen?«
Lardis biss sich auf die Zunge und wechselte das Thema: »Wisst ihr, wie weit es bis zum Tor ist?«
»Zu weit«, sagte Kirk Lisescu, der hinter ihnen kletterte. »Selbst auf den Ebenen der Sonnseite würden wir einen ganzen Sonnauf brauchen, um von Siedeldorf zum großen Pass zu gelangen. Aber hier oben, über all die Hänge und Gipfel ...« Er verfiel in Schweigen, Peder Szekarly jedoch nahm den Faden auf: »Fünfundachtzig Meilen von Siedeldorf bis zum Pass. Aber auf diesen gewundenen Gebirgspfaden ... mindestens hundert. Und das in schwierigem Gelände.«
»Noch etwas weniger als vierzig Stunden bis Sonnauf«, sagte Lardis nachdenklich. »Bis dahin wollen wir dort sein. Denn wenn die Wamphyri dann noch am Leben sind und sich im Freien aufhalten, werden sie machen, dass sie nach Karenhöhe gelangen, um dem Licht zu entkommen, sobald die Sonne sich zwischen den Gipfeln zeigt!« Er rechnete rasch nach und fuhr fort: »Großzügige zehn Stunden zum Schlafen lassen uns rund dreißig Stunden Reisezeit. Nun, bei etwas mehr als drei Meilen in der Stunde haben wir mehr als genug Zeit, dort anzukommen!«
»Um was zu sehen?«, murrte Andrei. »Um was festzustellen? Hah! Womöglich das Allerschlimmste!«
Lardis seufzte und schwieg eine Zeit lang.
Aus der Dunkelheit unter ihnen ragten gerade, hohe Tannenstämme auf. Neben einem Pfad, auf den die Sterne ihr gesprenkeltes Licht warfen, schimmerten kluge, wilde Augen; der Graue Bruder wartete geduldig und leidenschaftslos, bis die vier ihn erreicht hatten, dann wandte er sich um und strebte gen Osten. Sie folgten ihm so dicht, wie es eben ging, während er den wegsamsten, geradesten Pfad durch die spärlichen Bäume nahm.
Aber während die Leidenschaften des Wolfes sich kaum regten, wallten die von Lardis noch immer mit unverminderter Heftigkeit. Er dachte an Lissa und Jason auf der Sonnseite, an sämtliche Szgany Lidesci, an alle Stämme der Wanderer in ihren Lagern und Siedlungen entlang des Grenzgebirges. Und dann dachte er an den Schrecken der Wamphyri, den er für vorbei und vergangen gehalten hatte.
Doch nein, es war eben nicht vorbei, noch nicht ...
So lange nicht, bis es zu Ende gebracht wurde ... und zwar zu einem vollständigen Ende!
Schließlich wurde Lardis von seinem Zorn übermannt.
»Ganz gleich, wie es ausgehen mag«, stieß er den Schwur der Szgany zwischen zusammengepressten Zähnen hervor, »ich werde sie tot vor mir sehen! Enthauptet, gepfählt, mit Pflöcken in den Gliedern an den Boden genagelt – in sauberem, gelbem
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