DÄMONENHASS
sich zu ihm um. Es war Shaitan – aber nicht länger hübsch anzusehen, eigentlich kaum noch menschlich. Sein ungeheuerliches, wandelbares Gesicht war rot unter dem gierig eingesogenen Blut, und der schleimige, fremdartige Nebeldunst quoll ihm wie Schweiß aus den Poren und unter der geborgten Lederjacke hervor.
Dann ... fuhr Shaitans Klauenhand vor, packte den Jungen am Arm und hielt ihn aufrecht. Da erkannte Vidra mit Gewissheit, woher die Augen in seinem Geist stammten, und er erkannte auch, dass sein Traum schreckliche Wahrheit war. Was blieb ihm danach noch anderes übrig, als vor seinem neuen Herrn auf die Knie zu fallen? So oder so hatten seine Beine keine Kraft mehr, ihn aufrecht zu halten. Nein, diese Kraft sollte erst später kommen.
Shaitans brennende Augen blickten auf ihn herab, und die Stimme des Ungeheuers klang wie ein klebriges Gurgeln, als er sagte: »Was ich hier tue, mag dir zunächst sehr seltsam erscheinen, obwohl du es letztlich auch mit Freuden tun wirst. Sage mir nur, habe ich eben nicht gehört, wie du nach Dezmir Babeni gerufen hast? Nun, sein Blut ist noch warm und lebendig! Wenn du schon ... bereit dazu bist?«
Und dann, vielleicht eine Spur enttäuscht, fuhr er fort: »Ach, wie schade. Ich sehe schon, das ist nicht der Fall ...«
Der Abstieg zum Waldrand auf den Ebenen der Sonnseite nahm vier Stunden in Anspruch. Bis dahin waren die meisten kleineren Lagerfeuer der Szgany Hagi erloschen, und viele Angehörige des Stammes schliefen schon in ihren notdürftig aus Tierhäuten errichteten Zelten. Aber die Nachtwache unterhielt ein großes Feuer in der Mitte des Lagers, und wenn sie nicht den Außenrand abschritten, versammelten sie sich dort, um sich zu unterhalten. Aus den Eingängen einiger größerer Zelte drang Lampenlicht.
Wie stets bildeten die am äußeren Rand in gleichmäßigen Abständen aufgeschlagenen Zelte der alleinstehenden Männer eine Barriere gegen etwaige Eindringlinge oder Räuber, obwohl dies in diesen ruhigen Zeiten wenig wahrscheinlich war. In diesem losen Außenkreis waren ein paar Tiere angebunden oder grasten in Einfriedungen, deren Seilbegrenzungen sich zwischen den Bäumen spannten. Die großen Familienzelte standen näher zur Mitte des Lagers, das Feuer bezeichnete den genauen Mittelpunkt.
Einige Wagen standen dort, ein paar davon waren mit Häuten überspannt. Der größte war Heinar Hagis Wohnwagen. Obwohl die Wege um die Hügel- und Waldgrenzen des Stammesgebietes kaum mehr als ausgefahrene Pfade waren, erschien es Heinar – als Anführer oder ›König‹ seiner dreihundert Seelen starken Sippe – nur würdig und recht, hinter schnaubenden Tieren herzuzuckeln, statt wie der Rest einen kleineren Karren oder Packschlitten zu ziehen.
Wenn er es versäumte, seinen Bereich abzuschreiten, drang womöglich eine andere Szganygruppe ein und ließ sich hier nieder. Nur wenn Heinar ständig seine Landmorgen maß, seine Grenzen abschritt und ungefähr jede Meile sein Zeichen aufstellte (ein grob stilisiertes Gesicht mit einem mürrischen Mund und einer schwarzen Klappe über ein Auge gemalt), konnte er darauf hoffen, das Gebiet für seine Nachkommen und den Stamm zu erhalten. Der Grenzumfang maß vielleicht sechsunddreißig Meilen, die von Heinar eifersüchtig bewacht wurden. Die meisten Sippen und Stämme hielten es so, daher waren sie in dieser Beziehung von Anfang an Wanderer – wahrlich Szgany – gewesen.
Doch war nicht der gesamte Stamm des Heinar Hagi auf Wanderschaft. Im Osten gab es in den löcherdurchzogenen Klippen des Vorgebirges Höhlen, die fast ein Drittel seiner Leute beherbergten. Seit der Katastrophe hatten sie dort Unterschlupf gefunden, und sie würden dort bleiben. Und im Süden, wo der Wald in Grasland und schließlich in eine Wüste überging und sie zwischen den Bäumen ihre festen Heime errichtet hatten, zogen fünfzig Siedler der Szgany Hagi ihr Getreide. Da diese beiden Orte auf Heinars ein grobes Dreieck bezeichnenden Route lagen, freute er sich schon auf den Aufenthalt im Waldlager und danach in den Höhlen.
Sein Volk wuchs und mehrte sich, also würden sie weitere Siedlungen entlang der Grenze von Heinars Land errichten und es auf diese Weise sicher umschließen. Vielleicht konnte er sich irgendwann niederlassen und den Rest seiner Tage beschließen, ohne sich über Landräuber Gedanken machen zu müssen – nur war Heinar dann vielleicht nicht mehr, aber seine Söhne und deren Söhne würden die Früchte ernten.
Dies waren
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