DÄMONENHASS
die lüsterne Bilderfolge in ihrem Verstand nicht deshalb mied, weil sie ihn anwiderte, sondern weil sie ihn verlockte! Denn trotz seiner vorgeblichen Haltung war Maglore ebenso Wamphyri wie die Lady Zindevar auch.
Was den meist abfällig gemeinten Beinamen ›Greisentod‹ betraf, so wurde er unter den Wamphyri zwar häufig verwendet, jedoch nie vor Zindevar selbst, es sei denn, man beabsichtigte, sie zu beleidigen. Daher hatte Vormulac ihn auch vermieden. Er bezog sich auf die Art und Weise ihres Aufstiegs: Sie hatte nämlich der alten Lady, die vor ihr den Horst bewohnte, allmählich das Blut und die Lebenskraft entzogen. Und dieser Tage verhielt sie sich nicht anders, was ihre zahlreichen Sklavinnen zweifelsfrei bestätigen konnten. Nur eine Hand voll ihrer Offiziere waren Männer im vollständigen Sinne des Wortes (aus Notwendigkeit, um des Schutzes, der Wartung und Verwaltung von Greisenfried willen), und als Ausgleich hielt sie sich eine gleiche Anzahl weiblicher Offiziere. Was die gewöhnlichen Diener Greisenfrieds betraf, so waren sämtliche Männer, menschlich oder unmenschlich, Eunuchen.
So viel zu Zindevar. Maglore hatte verpasst, wie ein paar rangniedrigere Anwesende flüchtig vorgestellt wurden. Vormulac redete weiter: »Ich empfehle eurer Aufmerksamkeit nunmehr Lord Grigor Haksohn von Hagerstatt, dem unser Mitgefühl gehört. Sein Losanteil an den letzten Tributen hat seine Bedürfnisse sicher nicht befriedigen können.« Grigor, hoch gewachsen, mager und mit unstetem Blick, nickte mürrisch und kaum aufmerksamer in die Runde, als es der Form entsprach. Dann widmete er sich wieder dem Studium seiner Fingernägel. »Nach dem offiziellen Ende unserer Zusammenkunft«, fuhr Vormulac fort, »und für den Fall, dass einige Anwesende sich mit ihm einigen möchten, ist Lord Grigor zweifellos für den einen oder anderen zum beiderseitigen Vorteil gereichenden Tauschhandel bereit.«
Maglore beugte sich etwas vor, um Grigor von Hagerstatt oder ›Grigor den Lüstling‹, wie man ihn auch nannte, genauer zu betrachten. Er zählte zu den jüngeren Lords und verfügte über einen starken Trieb, doch seit Kurzem hatte sein Anteil an den Tributanten der Sonnseite – bei dieser Lotterie ging es um Menschenleben – aus nur wenigen Frauen bestanden. Fast ohne Ausnahme hatten seine Lose ihm Szgany-Männer eingebracht, und von denen hatte er genug. Maglore las in seinem Verstand, dass Grigor, sollte er heute Nacht einen Abnehmer finden, vier starke Männer für zwei halbwegs annehmbare Mädchen anbieten wollte! Ganz gewiss machte dabei jemand ein blutiges Schnäppchen. Unter anderen Umständen wäre es vielleicht die Lady Wratha gewesen, nur war sie, wie Maglore wusste, heute Nacht anderweitig beschäftigt.
Das Vorstellen ging weiter, und nun war Canker Canisohn an der Reihe. Wer den Lord von Räudenstatt erblickte, wusste sogleich, dass sich irgendwo in seiner Ahnenreihe ein sporenbefallener Hund oder Fuchs befunden hatte. Canker trug den Namen jener Krankheit des Innenohres, die seinen Vater in den kläffenden Wahnsinn getrieben hatte (bis er einen Flieger bestieg und gen Süden in Richtung der aufgehenden Sonne gerast war). Er hatte die fleischigen Läppchen und Windungen seiner Ohren dazu gebracht, sich in sonderbare Windungen und Muster zu legen, unter denen auch sein Wappenzeichen, die Mondsichel, zu finden war. Sein Haar war rot, sein Maul groß, sein langbeiniger Gang fast schon ein Streunen, und wenn er lachte, warf er den Kopf in den Nacken und schüttelte sich von Kopf bis Fuß.
Lom der Halb-Starke:
Der Lord von Trollstatt war ein Zwerg unter den Wamphyri. Seine Beine waren zu kaum mehr als zu Oberschenkeln mit Füßen verkümmert. Aber in Anbetracht seiner gewaltigen Tonnenbrust, seiner Greifzangen ähnelnden Hände und seiner Arme, die fast so lang waren wie er selbst, musste jeder, der ihn zu schmähen trachtete, einen sicheren Abstand wahren. Seine Reichweite war phänomenal, und er wusste um die Verletzlichkeit der besten Teile eines Mannes ...
Vasagi der Sauger sah gleichermaßen abartig aus.
Er war das Opfer einer erblichen Knochenkrankheit. Krankheiten waren bei den Wamphyri zwar selten, aber meist erblich: verschiedene Animalismen, mehrere Formen des Wahnsinns, aggressive Autismen, Akromegalie und andere Knochenkrankheiten. Mit Ausnahme der Lepra verliefen sie selten tödlich. Doch als das Wachstum von Vasagis Kiefern und Zähnen das wandelbare Fleisch seines Gesichtes zu überwältigen
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