DÄMONENHASS
drohte, hatte er sie einfach entfernt. Mit anderen Worten: Er hatte sämtliche Zähne aus seinem Oberkiefer entfernt, sich den Unterkiefer ausgehakt, sämtliches Fleisch von den widerspenstigen Knochen zurückgezogen und war ihrer so ledig geworden. Nun war sein kinnloser Mund ein blassrosiger Tentakel, der vorn in eine bewegliche Nadelsaugspitze auslief, dem Rüssel einer Biene nicht unähnlich, die er mit erstaunlicher Geschicklichkeit in die winzigste Ader zu führen vermochte. Es bedarf kaum der Erwähnung, dass er kein Asket war.
Und die Liste ging weiter:
Ursula Torbrut von Torstatt, die sich fast menschlich gab und sogar Sonnseiter-Kleidung mit Lederfransen und klimpernden Glöckchen trug (nur waren Letztere aus Blech, statt aus Silber). Zur gleichen Zeit schwor sie jedoch darauf, das ausgelassene Fett von Szgany-Frauen als Salbe anzuwenden, um ihre nach über einem Jahrhundert schlaffe und vernarbte Haut straff und geschmeidig zu halten. Zudem bewahrte sie verschiedene Andenken an ihre Liebhaber auf, die sie in all den Jahren gehabt hatte – in Krügen. Man muss allerdings sagen, dass Ursula sich diese Souvenirs nicht angeeignet hatte, solange ihre Besitzer noch am Leben waren. Zwar wusste sie, welchen Preis sie zu zahlen hatte, wenn sie ihren Wamphyri-Gelüsten nicht nachgab, doch war sie bis zu einem gewissen Grad Zolteistin und als solche weder grausam noch zur Gänze blutrünstig.
Und weiter ging es:
Lord Eran Schmerzensschrund; Lady Valeria von Valspitze; Lord Tangiru; Zun von Zunspitze; Gorvi der Gerissene; Lady Devetaki Schädellarve (die heute aus unbekanntem Grund ihre lächelnde Maske angelegt hatte); Wran der Rasende und sein Bruder Spiro Todesblick von Irrenstatt ... All diese und noch viele mehr. Alles in allem sechsunddreißig Lords und sieben Ladys. Sie vorzustellen, nahm fast eine Stunde in Anspruch. In dieser Zeit spürte Maglore Zindevars wachsende Ungeduld und ihren heißen, fetten Schenkel gegen den seinen, und die verschiedenen Gedanken der Übrigen, die auf ihn einstürmten, bis er unter den Anspielungen und Beleidigungen, der Mordlust und dem Verlangen ihrer Bewusstseine geradezu schwankte.
Natürlich hielten sie den Großteil ihrer Gedanken verborgen, denn der Lord von Runenstatt war mit seinen telepathischen Fähigkeiten nicht allein. Alle Wamphyri besaßen sie in unterschiedlichem Maß; zumindest vermochten sie zu spüren, worauf sich die Gedanken eines anderen richteten. Zindevar zum Beispiel:
Der Lady war Maglores nahe Gegenwart ebenso bewusst wie ihm die ihre, was sehr wohl der Grund für ihre Ungeduld und die schlüpfrigen Szenen sein konnte, mit denen sie ihren Verstand füllte. Wahrscheinlich nahm sie an, dass dies genügen würde, ihn auf Abstand zu halten – womit sie recht hatte.
Die Vorstellung fesselte ihn. Aus dem Augenwinkel heraus warf er einen Blick auf sie – und stellte fest, dass sie ihn ihrerseits anstarrte! Ihr heißer Blick brannte in ihm, und ihre Nasenlöcher verengten sich argwöhnisch. Nun gut, was hatte sie wohl zu verbergen?
Mittlerweile war Vormulac fast zum Schluss gekommen, und nur noch eine musste vorgestellt werden: Wratha die Aufgestiegene. Maglore vertrieb alle ablenkenden Gedanken und konzentrierte sich auf die Worte des Tributmeisters.
»Lady Wratha«, intonierte Vormulac, während sich seine Augen verengten, »von Wrathspitze ...« Doch jetzt lag ein gewisser Unterton in seiner Stimme. Die Unruhe und das Gemurmel der Runde erstarben sofort, und aller Augen richteten sich auf Wratha – was niemandem schwerfiel.
Maglore blickte über den Tisch auf ihren Platz am anderen Ende der Tafel, Vormulac direkt gegenüber, und erkannte, dass er sie noch nie ... köstlicher erblickt hatte! Sie sah geradezu zum Anbeißen aus! Im gleichen Moment erfüllte sich der geistige Äther mit zwei Gedankenwellen: Die eine kündete von Lust, die andere von eifersüchtiger Abscheu. Nach dem Ursprung dieser aufwallenden Gefühle musste man nicht lange suchen. Ah, und auf den Kämmen dieser Wellen schäumte so etwas wie Respekt, sogar Bewunderung! Oh ja, denn Wratha die Aufgestiegene besaß Stil.
Sie hatte nicht einfach Platz genommen, sondern sich ganz entspannt in ihrem Sessel in Szene gesetzt. Beide Ellbogen lagen auf einer Lehne, das Kinn hatte sie auf die Hände gestützt. Ihr zu Zöpfen geflochtenes, schwarzes Haar fiel ihr fast bis auf die Schultern, auf denen ein Band aus fein verarbeitetem Gold lag. Von diesem goldenen Ring hingen lange, schwarze
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