Dämonenherz
konnte sehen, was Anna gerade so interessiert betrachtet hatte.
»Entschuldigen Sie bitte. Ich hätte fragen müssen.«
»Aber nein, mein Kind. Herzlich willkommen!« Die Baronesse lächelte und reichte Anna die Hand. Dann hakte sie sich bei ihr unter. Gemeinsam gingen sie die wenigen Schritte zurück in den Erker.
»Noch kein Kaffee? Henry wird aber auch etwas langsam in letzter Zeit.«
Die Baronesse griff nach einer kleinen Klingel, die neben einem Seidenrosengesteck auf der Fensterbank stand. Sie hatte sie kaum zurückgestellt, als Henry schon mit einem Servierwagen um die Ecke bog. Auf ihm befand sich neben dem Kaffeegeschirr auch eine Auswahl verschiedener Kuchen und Törtchen.
»Mögen Sie eine Mehlspeis’?«
»Mehlspeis’? Sie meinen Kuchen? Ja, gerne.«
Anna hatte bis auf den Apfel noch nichts gegessen. Weller und Sandrine. Sie versuchte, das Bild zu verdrängen, aber es kostete sie große Mühe. Während Henry den Tisch deckte, ließ die Baronesse sich in einen kleinen Sessel sinken und strich die Spitzentischdecke glatt.
»Danke, Henry.«
Der gute Geist wurde mit einem Kopfnicken entlassen. Die Baronesse schenkte den Kaffee ein, reichte Anna das Sahnekännchen und forderte sie auf, sich mit dem Zucker selbst zu bedienen. Anna entschied sich für ein Aprikosentörtchen mit Schlagsahne.
»EineMarille mit Obers, wie wir hier sagen. Gefällt Ihnen Wien?«
Die Baronesse balancierte den Kuchen auf Annas Teller.
»Ja, sehr. Ich wünschte, ich könnte länger bleiben. Es gibt noch so vieles, was ich mir gerne ansehen würde. Die Hofburg, den Prater und die Katakomben zum Beispiel.«
»Und natürlich einen Heurigen trinken. Das gehört auch dazu.«
Anna nickte und nahm den ersten Bissen. Es schmeckte köstlich. Die Baronesse beobachtete mit Freude, wie Anna ihr Törtchen in Blitzgeschwindigkeit vertilgte.
»Wann reisen Sie denn ab?«
Anna schluckte schnell hinunter, um nicht mit vollem Mund zu antworten. »Herr Weller erwartet mich heute um sechzehn Uhr am Flughafen.«
Die Baronesse nickte. Sie nahm ihre Kaffeetasse und trank einen kleinen Schluck. Anna stellte ihren Teller ab und sah die alte Dame erwartungsvoll an.
»Was ist passiert?«, fragte sie.
»Wie meinen Sie das?«
»Ich weiß, dass ich nicht geträumt habe. Und Sie wissen das auch.«
Die Baronesse neigte ein wenig den Kopf, als ob sie sich schon im Voraus für ihre Antwort entschuldigen wollte.
»Dann muss ich Ihnen doch gar nichts weiter erklären. Möchten Sie die Maronispitz probieren?«
Sie deutete mit der Kuchengabel auf ein Törtchen, das mit passiertem Kastanienpüree, Schlagsahne und einer Dessertkirsche verziert war. Ohne Annas Antwort abzuwarten, legte sie es ihr auf den Teller.
»Eine Spezialität«, setzte sie hinzu und wartete, bis Anna gekostet und ein lautes »Hmmmm« ausgestoßen hatte. Vom Kuchenbacken verstanden sie etwas, die Österreicher. Es schmeckte einfach zu köstlich! Erst als Anna auch dieses Stück verputzt hatte, kam sie auf den eigentlichen Grund ihres Besuches zurück.
»Frau von Hohengarden, ich muss Ihnen einige Fragen stel len. Und ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie sie mir wahrheitsgemäß beantworten würden.«
»Warumwenden Sie sich nicht an Herrn Weller? Er ist doch Ihr Chef. Sicher kann er Ihnen mehr sagen als ich.«
»Können schon«, antwortete Anna. »Aber er will nicht.«
»So, so.«
»Alle, die gestern Abend im Saal des Zodiak waren, gehören doch zusammen.«
Nichts an der Miene ihres Gegenübers ließ erkennen, ob Anna mit dieser Annahme richtig lag.
»Ich war Zeuge einer Kriegserklärung. Und ich habe Dinge gesehen, für die bräuchte jeder andere Mensch eine Menge halluzinogener Drogen. Dieser Ball mag für viele Dinge berühmt sein, aber bestimmt nicht für seine Bewusstseinserweiterungen. Also: Wer waren die Leute, und was war das für ein Treffen?«
Da die Baronesse immer noch schwieg, beschloss Anna, auf weiteren Kuchen zu verzichten. Sie legte die Serviette neben den Teller und stand auf.
»Es tut mir leid, aber ich habe keine Zeit mehr. Herr Weller scheint mich zu brauchen. Aber er sagt mir nicht wofür. Also werde ich ihm einfach nicht mehr zur Verfügung stehen. Guten Tag.«
»Warten Sie!«
Die Baronesse legte ein strahlendes Lächeln auf.
»Ich verstehe immer noch nicht, warum Sie damit zu mir kommen.«
»Weil ich das Gefühl habe, Sie könnten mir einen Rat geben. Oder mich vor einem Fehler bewahren. Einem Fehler, den Sie vielleicht begangen haben und sehr
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