Dämonenherz
Sie würde sie nie mehr betreten.
21 .
S chon von Weitem erkannte Anna, dass rund um das Haus ihres Vaters einiges in Bewegung gekommen war. Große Lastwagen fuhren vor, einer kippte die gesamte Last auf das Grundstück. Männer schrien sich gegenseitig Kommandos zu. Anna rannte die letzten hundert Meter von der Bushaltestelle. Schwer atmend erreichte sie das Gartentor und stellte sich dem ersten Bauarbeiter, der es wagte, ihren Weg zu kreuzen, in den Weg.
»Was machen Sie hier?«
»Meine Arbeit«, antwortete der Mann.
»Verschwinden Sie sofort von hier. Haben Sie verstanden?«
Der verdutzte Mann schob sich seinen Helm in den Nacken und kratzte sich die Stirn.
»Wir haben die Anweisung, bis Montag das gesamte Areal hier –«
»Von wem?«, zischte Anna. »Etwa von Herrn Weller?«
Der Arbeiter nickte.
»Sagen Sie Ihrem Boss, hier wird nichts angefasst. Ich werde eine einstweilige Verfügung erwirken! Ich rufe die Polizei! Ich …«
Verzweifelt suchte Anna nach weiteren Möglichkeiten, das Unfassbare zu verhindern. An der Kreuzung tauchte ein gewaltiger Lastwagen auf, der eine Abrissbirne transportierte. Laut rumpelnd und quietschend kam das Gefährt auf sie zu. Anna deutete mit dem Zeigefinger darauf.
»SchickenSie ihn weg! Sagen Sie ihm, er soll anhalten! Aufhören!«
Sie stellte sich auf die Mitte der Straße und gestikulierte wild mit den Armen. Eine solche Empörung hatte sie erfasst, wie sie sie noch nie empfunden hatte. Wieder schlug der Hass gegen Weller in ihr hoch. Immer wenn sie geglaubt hatte, andere Seiten an ihm zu entdecken, passierte so etwas. Hinter ihrem Rü cken hatte er die Arbeiter bestellt und wohl geglaubt, sie würde zu spät kommen, um noch etwas zu verhindern.
»Stopp!«, brüllte sie.
Der Lkw hielt direkt auf sie zu und hupte. Doch Anna wich keinen Zentimeter. Triumphierend wandte sie sich an den Mann mit dem Bauarbeiterhelm, zu dem sich jetzt noch einige Kollegen gesellt hatten, die Annas Auftritt mit distanziertem Interesse verfolgten. Der Fahrer kurbelte das Seitenfenster herunter und schrie etwas, das Anna nicht verstand. Es klang ein bisschen nach »Idiotin«, aber sie blieb stehen. Mit weit ausgebreiteten Armen trotzte sie dem Heranrollen der Abrissbirne. Der Wagen kam näher, ungebremst. Anna kniff die Augen zusammen. Doch sie hielt durch. Die Bremsen kreischten, das Gefährt kam zum Stehen, keine zwanzig Zentimeter vor ihr. Anna öffnete ein Auge und erkannte einen schlammverkrusteten Kühlergrill. Langsam nahm sie die Arme herunter.
»Anna!«
Friedrich Sternberg eilte, totenbleich vor Sorge, auf seine Tochter zu.
»Um Gottes willen, was machst du denn da? Willst du dich umbringen?«
»Und die da? Was machen die hier? Wer hat ihnen erlaubt, das Grundstück zu betreten?«
Friedrich Sternberg drehte sich um und warf einen Blick auf die Verwüstung, die mittlerweile angerichtet worden war. Der Lkw-Fahrer ließ den Motor im Leerlauf aufheulen.
»Aus dem Weg!«, brüllte er.
»Nein!«, schrie Anna zurück. Voller Verzweiflung erkannte sie,dass ihr Vater offenbar aufgegeben hatte. Er hob entschuldigend die Hände und ging zurück zu den Gaffern am Tor. Anna zögerte, ihm zu folgen. Schließlich gab sie den Weg frei. Der Fahrer zeigte ihr einen Vogel und gab Gas.
»Sie ist ein wenig übereifrig«, hörte sie ihren Vater gerade sagen. »Bitte lassen Sie sich von ihr nicht stören.«
Die Blicke, die die Männer sich zuwarfen, sprachen Bände. Sie drehten sich wortlos um und kehrten in den Garten zurück. Eine Kettensäge heulte auf.
»Was geht hier vor?« Der Lärm war ohrenbetäubend, aber Anna ließ sich davon nicht zum Schweigen bringen. »Du musst Widerspruch einlegen! Vor Gericht ziehen! Du musst dich endlich wehren!«
»Aber warum denn?«
Der Lkw gab ein empörtes Hupen von sich und fuhr die Straße hinunter. Mit offenem Mund sah Anna ihm hinterher.
»Sie bringen doch gerade alles in Ordnung!«
»Entschuldigung.«
Ein junger Mann, dem Annas Auftritt offenbar Respekt eingeflößt hatte, kam mit einer Schubkarre und versuchte, sich an ihr vorbeizuquetschen. Anna machte ihm Platz.
»Was geht hier vor?«
»Unser lieber Freund hat sich entschieden, statt dem Einkaufszentrum eine Reihenhaussiedlung zu bauen.«
Friedrich Sternberg lächelte, als hätte er die Arbeiten selbst angeordnet.
»Unser lieber Freund?«
»Herr Weller. Der junge Mann, der uns neulich besucht hat. Du erinnerst dich doch an ihn?«
»Und ob.«
»Wir hatten ein kleines Gespräch, als du
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