Dämonenherz
Wolken zusammen. Mit einem peitschenden Knall schoss ein Blitz aus ihnen heraus, verästelte sich in tausend Arme und baute eine gewaltige leuchtende Kuppel über dem Krater auf. Mit offenem Mund beobachtete Anna das Spektakel. So ein Schauspiel hatte sie noch nie gesehen. Es hörte einfach nicht auf. Die Blitze teilten sich, zuckten ineinander und schienen eine Wand aus Feuer zu weben. Die Luft roch brenzlig. Zischend und mit gewaltigem Getöse türmte sich eine gewaltige Kathedrale aus grünlichem Licht am Himmel auf. Anna starrte nach oben. In der Mitte erkannte sie das Sternbild des Skorpions. Voller Entsetzen begriff sie, dass ihr der Rückweg von einer glühenden Wand aus Blitzen abgeschnitten war.
»Weller!«
Die Stimme schien aus allen Richtungen zu kommen. Sie vervielfältigte sich, wurde zurückgeworfen und schwoll mit jedem Echo lauter an, bis es fast unerträglich wurde.
»Deine Amazone ist hier!«
Annafuhr herum. Keine fünf Meter von ihr entfernt stand Sandrine.
Ihr blondes Haar hatte sich gelöst und spielte im Nachtwind um ihr bleiches Gesicht. Wie eine böse Göttin stand sie auf dem Plateau, hoch aufgerichtet und mit einem Blick, der alles zu vernichten drohte. Und am allermeisten hatte sie es wohl auf Anna abgesehen.
»Du bist also gekommen«, sagte sie.
Trotz des Windgetöses klang Sandrines Stimme klar und schneidend. Anna legte die Hand auf die Brust und spürte, wie sie ruhiger wurde.
»Wo ist er?«
Sandrine kam zwei Schritte näher. Sie schien noch größer und schöner, als Anna sie in Erinnerung hatte. Mit einem verächtlichen Lächeln sah sie auf Anna herab.
»Da drinnen.« Sie wies auf den Krater. »Ich fürchte, du bist zu spät gekommen. Aber vielleicht hilft es ihm, wenn du gleich hinterhersteigst? Dann ist er nicht so allein da unten, der Arme.«
»Was hast du mit Vicky gemacht?«
»Sie ist ein Werkzeug. Genau wie du. Er will, dass du für ihn stirbst. Also nur zu, lass dich nicht aufhalten!«
»Du lügst. Wo ist er?«
Ein leichtes Zucken um Sandrines Augen verriet, dass sie langsam nervös wurde. Sie stand unter Zeitdruck. Das musste eine ganz neue Erfahrung für jemanden sein, der Unsterblichkeit gewohnt war.
»Tja, Schätzchen. Das fragen wir uns alle.«
Ein neuer Donner polterte herunter. Die Blitze flimmerten und zuckten. Wo die Erde und das Licht sich berührten, kam ein beunruhigendes Knirschen aus der Erde. Lange würde der Berg diesem Spuk nicht standhalten. Anna spürte, wie der Boden unter ihren Füßen heiß wurde. Auch Sandrine warf einen kurzen, besorgten Blick zur Kuppel ihres Lichtdomes. Dann aber setzte sie wieder ihre arrogante Miene auf.
»Eigentlichdachte ich, er wäre Manns genug, um meine Herausforderung anzunehmen. Aber offenbar hat er einen unspektakulären Abgang vorgezogen. Schade. Jetzt verfällt sein Imperium in Schutt und Asche, und ich kann nichts mehr für ihn tun.«
»Mir bricht das Herz. Übrigens, warum sollte Vicky mich abfangen?«
»Das sollte sie nicht. Im Gegenteil. Sie sollte dich zu mir bringen, damit ich dich endlich dahin schicke, wo du hingehörst!«
Sie streckte den Arm in Annas Richtung aus. Er wurde länger und dünner, und aus der Spitze ihres schlangengleichen Fingers schoss ein grüner Blitz direkt vor Annas Füßen in den Boden. Rauch stieg auf, und ein Geruch nach verbranntem Heu. Mit einem Aufschrei sprang Anna zurück.
»Erschreckt dich das? Ich habe doch noch gar nicht angefangen!«
Anna sah im Bruchteil einer Sekunde einen neuen Blitz auf sich zukommen. Sie duckte sich, doch er streifte ihr Haar. Reflexartig berührte sie ihren Kopf. Das Feuer hatte ihr eine ganze Strähne versengt. Dies schien ein Kampf mit äußerst unfair verteilten Waffen zu werden. Der nächste Blitz fuhr rechts von ihr vorbei. Er verästelte sich zu einem sprühenden Geflecht, das wie ein Netz über ihr abgeworfen wurde. Anna warf sich zu Boden und rollte weg. Doch das half nicht viel, ihr kurzer Fluchtversuch wurde von einer wahren Lichtsalve gestoppt.
»Hast du Angst um deine Haare?«, höhnte Sandrine. »Du wirst noch ganz anders aussehen, wenn ich mit dir fertig bin. Ich schicke Weller ein Häufchen Asche hinterher! Ich verstreue dich in alle Winde! Ich tilge dich von dieser Erde, hast du verstanden?«
Ein Lichtgewitter entlud sich über Anna. Dieses Mal knatterten die Blitze wie Knallfrösche ineinander. Sie konnte sich in letzter Sekunde hinter einen Felsbrocken retten. Milliarden Volt regneten als Funken auf sie herab.
»Warum
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