Dämonenherz
gefährlich, sich auch nur eine Minute länger mit diesem Mann zu beschäftigen.
»Ich lehne den Auftrag ab.«
Vicky ließ sie los. »Das kannst du nicht.«
»Doch. Ich lasse nicht zu, dass er sich in mein Leben einloggt wie ein Hacker.«
»Aber das tut er doch gar nicht! Im Gegenteil: Er zieht unseren Kopf aus der Schlinge. Siehst du das denn nicht? Oder bist du einfach nur sauer, weil er dir keine Hoffnung auf mehr gemacht hat?«
»Mehr? Mehr Geld?«
»Nein«, antwortete Vicky. »Mehr Zukunft. Mehr Gefühl. Mehr als nur eine Nacht. Mehr eben.«
Anna kroch unter den Schreibtisch und zog sämtliche Stecker aus der Dose. Mehr eben, das war das Letzte, was sie von Weller wollte. Warum kapierte Vicky das nicht? Wellers Methoden waren kriminell. Vermutlich genauso kriminell wie die Wege, auf denen er es ganz nach oben geschafft hatte.
Wieder zog dieser schrecklich schöne Schmerz durch ihren Körper. Es war die Nacht ihres Lebens gewesen. Die Erinnerung daran würde sie wohl noch jahrelang begleiten und sie dazu bringen, jeden einigermaßen akzeptablen Nachfolger an Weller zumessen. Das waren nicht wirklich glückliche Aussichten auf ein erfülltes Liebesleben. Eher auf noch mehr Post von Erotik-Versandhäusern.
»Ist alles in Ordnung mit dir da unten?« Vicky klang besorgt.
»Ja ja.«
Anna krabbelte unter dem Schreibtisch hervor.
»Es geht nicht um mehr, Vicky. Es ist … Wenn er uns bezahlen will, warum tut er es dann nicht einfach?« Sie zupfte einige Staubflusen von ihren Knien. »Er ist unberechenbar. Ich will nicht mit ihm arbeiten.«
Vicky schüttelte den Kopf, als wüsste sie, dass jeder weitere Einwand von vornherein vergebens wäre.
»Und das da?«
Sie nahm die ausgedruckte Pressemitteilung und überflog sie. Je länger sie las, desto skeptischer wurde ihr Gesichtsausdruck.
»Fünf Jahre Beschäftigungsgarantie? Das klingt aber nicht sehr besonders unberechenbar. Ich wäre schon froh, wenn ich sie bis morgen hätte.«
Sie legte das Blatt zurück auf den Schreibtisch. »Schick die Mitteilung raus. Oder noch besser: Fahr zur Demo und übergib sie dem Betriebsrat. Dann hast du deinen Job erledigt, und er kann nicht mit einer Rückforderung kommen.«
»Du meinst, ich werde vom Status der Fußball- und Erotikqueen wieder zum blutigen Anfänger herabgestuft?«
»So in etwa. Und das möchtest du doch nicht, oder?« Vicky grinste sie an. »Zumindest auf den Gewinn im Fußball-Toto würde ich mir an deiner Stelle schon etwas einbilden.«
»Okay.«
Anna kroch wieder unter den Schreibtisch und begann, die einzelnen Stecker aus dem Kabelwirrwar zu lösen und der richtigen Dose zuzuführen.
»Aber nur diesen Job. Und nur dieses Mal. Und dann suchen wir uns was anderes.«
»Klar.« Vicky war schon wieder auf dem Weg in ihr Büro.
»Ichglaube, im Kurpark-Café suchen sie jemanden für den Service. Wäre das was für dich?«
Am liebsten hätte Anna ihrer Freundin eine passende Antwort hinterhergerufen. Das Dumme war nur, ihr fiel keine ein. Es gab nichts, was sie aus diesem Dilemma retten konnte. Der einzige Ausweg war, genau das zu tun, was Weller von ihr erwartete.
Das Grand Hotel war immer noch weitläufig abgesperrt. Die Delegationen tagten noch bis in den Abend, so dass Anna einige Mühe hatte, die Sicherheitsbeamten zu überzeugen, dass sie wirklich nur ins Hotel wollte und nicht vorhatte, die Versammlung führender Wirtschaftsvertreter ernsthaft zu stören. Ein junger Polizist erbarmte sich schließlich, hob das Absperrband und ließ sie darunter hindurchschlüpfen.
Da sie keine Chance hatte, mit Weller Kontakt aufzunehmen, wollte sie eine Kopie der Pressemitteilung unter seiner Tür durchschieben. Damit sah sie ihre Aufgabe als erfüllt an. Sollte er Änderungswünsche haben, müsste er sich ziemlich schnell mit ihr in Verbindung setzen. Es war zwanzig nach zwei, und wahrscheinlich saß er gerade zähneknirschend mit einem Mann zusammen, der Akkreditierungen fälschte und ihn mit verfänglichen Fotos zu diesem Interview erpresst hatte. Sie wollte sich nicht vorstellen, wie er Guyot empfangen hatte. Deshalb erschien es ihr äußerst ratsam, auf eine weitere Begegnung mit Weller zu verzichten. Vicky hatte recht: Sie musste diesen Job zu Ende bringen. In einer Viertelstunde wäre das erledigt, und Anna könnte endlich damit beginnen, die letzten vierundzwanzig Stunden zu den Akten zu legen.
Unmittelbar vor der geschwungenen Jugendstiltreppe des Hotels blieb sie noch einmal stehen und holte tief
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