Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dämonenherz

Dämonenherz

Titel: Dämonenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Talbot
Vom Netzwerk:
Luft. Das Wetter meinte es gut in diesem Jahr. Die milde Herbstsonne wärmte immer noch. Ihre Strahlen fielen, gebündelt von den üppigen Kronen der Bäume, durch die Blätter auf Wege, Wiesen und Rabatten. Vereinzelt schimmerte es bereits gelb und rot an den Ästen. Wehmütig dachte Anna an den zurückliegenden Sommer und daran,dass die letzten schönen Tage gezählt waren. Anna liebte die Sonne und die Wärme. Die langen Tage mit ihrer späten Dämmerung hinterließen bei ihr das Gefühl, mehr Zeit zu haben und diese auch noch intensiver zu genießen. Der graue, stürmische Herbst und der nasskalte, nicht enden wollende Winter kamen immer viel zu früh. Kaum, dass sie sich an sie gewöhnt hatte, waren die unbeschwerten Sommerwochen auch schon wieder vorbei. In jungen Jahren hatte Anna davon geträumt, auszuwandern. Vielleicht nach Italien? Oder Florida? Irgendwohin, wo die Sommer länger wären und der Winter ein Fremdwort bleiben würde.
    Doch dieser Traum hatte sich nie erfüllt. Andere Verpflichtungen hatten sich als wichtiger erwiesen: ihr Mann, ihre Eltern. Bis sie plötzlich mit leeren Händen dagestanden hatte und sich fragte, ob dieser Verzicht es wert gewesen war.
    »Entschuldigung, Sie können hier nicht stehen bleiben.«
    Der Page vom Eingang kam mit freundlicher Miene auf sie zu. Erschrocken tauchte Anna aus ihren Gedanken auf.
    »Ich möchte nur etwas für einen Gast abgeben.«
    »Dann folgen Sie mir bitte.«
    Der Hotelangestellte in seiner goldbetressten Hausuniform lief die Treppe hoch, über die ein roter Teppich gelegt worden war. Anna folgte ihm und stand kurz darauf in der beeindruckenden Lobby des Grand Hotels. Hinter der Rezeption arbeitete ein anderer Portier als am vergangenen Abend, was sie mit Erleichterung registrierte.
    »Guten Tag. Ich möchte etwas für Carl Weller abgeben. Persönlich.«
    Der Portier, ein mittelgroßer Mann mit überkorrekten Bewegungen, kontrollierte den Computer.
    »Es tut mir leid, aber ich fürchte, das wird nicht möglich sein.«
    »Ich weiß.« Anna trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. »Er ist da etwas eigen. Aber Sie können sicher sein, dass er das Schriftstück erwartet. Ich werde es ihm in die Suite bringen.«
    DerMann musterte sie, als hätte sie sich mit einer Lieferung Desinfektionsmittel in der Tür geirrt. »Dann geben Sie es ab. Wir werden es umgehend weiterleiten.«
    Diese Sprüche kannte Anna. Weller hatte vierzehn Uhr dreißig gesagt. Sie bezweifelte, dass der Termin eingehalten würde, wenn sie den Umschlag jetzt aus den Händen gab.
    An der Wand über den mattglänzenden Holzvertäfelungen hingen sechs Uhren, die die Zeit in New York, Tokio, Bangkok, Djakarta, Sydney und Wiesbaden anzeigten. Es war genau zwei Minuten vor halb drei.
    Der Portier nutzte den winzige Bruchteil einer Sekunde, in dem Anna abgelenkt war, um dem Pagen einen kurzen Wink zu geben. Der junge Mann kam näher und stellte sich abwartend in Positur.
    »Wenn Sie die junge Dame bitte hinausbegleiten würden?«
    »Aber ich habe Ihnen doch gesagt, ich muss zu Herrn Weller!«
    Der Page, eben noch ein unscheinbarer Angestellter, wirkte mit einem Mal ziemlich kräftig. Zudem verschwand der freundliche Ausdruck in seinem Gesicht.
    »Ich bedaure sehr, aber wenn Sie das Haus bitte verlassen würden?«
    Anna fragte sich, wofür sie im letzten Jahr eigentlich diesen sündhaft teuren Yogakurs mit Tiefenentspannungsübungen absolviert hatte. Sie spürte, wie der Ärger in ihr hochkroch und wie sehr sie sich zusammennehmen musste, um den Herrschaften nicht auf der Stelle ihre Meinung zu sagen.
    Sie wandte sich zum Gehen, da bemerkte sie in den Augenwinkeln eine Bewegung. Die linke der drei Fahrstuhltüren glitt beinahe geräuschlos auf. Es war der Lift, der als Einziger hinauf in die Casino-Suite fuhr. Eine sehr schlanke, sehr blonde Frau trat gerade aus der Kabine und setzte sich eine Sonnenbrille auf. Doch Anna erkannte sie trotzdem.
    »Sandy!«
    Die Dame zuckte zusammen und sah in ihre Richtung.
    »Sandrine! Was machst du denn hier?«
    DieAngesprochene drückte ihre winzig kleine Handtasche enger an die Brust, als hätte Anna gerade angekündigt, sie ihr zu entreißen. Der Page blickte irritiert von Anna auf den illustren Gast. Sandrine trug den Gegenwert seines Jahreseinkommens in Form einer glitzernden Brillantbrosche am Revers ihres Haute-Couture-Kostüms und hob mit einer derart unnachahmlichen Arroganz die Augenbrauen, dass er es wohl noch nicht wagte, Anna

Weitere Kostenlose Bücher