Dämonenherz
gleichen Vulkan gestiegen. Uns eint die gleiche Glut. Wir kennen uns seit einer Ewigkeit. Und wenn ich Ewigkeit sage, dann meine ich das auch. Ich habe Frauen wie dich kommen und gehen sehen. Ich weiß, was du denkst und fühlst. Weller ist ein Mann, der die Seele einer Frau verbrennt und danach ihre Asche in alle Winde verstreut. Du kannst dem nur entgehen, wenn du keine Seele hast. So wie ich.«
Blitzschnell drehte Anna den Kopf und musterte Sandrines Gesicht. Die letzten Worte hatten beinahe ehrlich geklungen. Noch immer war der Blick ihrer blassgrünen Augen stahlhart. Aber ein winziges, fast amüsiertes Lächeln umspielte ihren Mund, als ob sie Annas Überraschung erwartet hätte und sie nun umso mehr auskostete.
»In diesem Geschäft darf man keine Seele haben«, fuhr sie fort. »Weller und ich haben die gleichen Interessen. Auch das verbindet uns. Dagegen kannst du nichts tun, Anna. Du bist anders. Bleib bei dem, was dich glücklich macht. Aber versuche nicht, dich zwischen uns zu drängen. Du hast keine Chance. Und weißt du, warum? Weil du ein nettes Mädchen bist, Anna. Und nette Mädchen reizen Weller nicht.«
Sie strich sich eine Strähne ihres platinblonden Haares hinter das rechte Ohr.
»Er hat mir übrigens von eurer Nacht erzählt.«
Anna schnappte nach Luft. Wie konnte er ihr so etwas antun? Sandrine schien genau diese Frage von Annas Gesicht abzulesen.
»Es bedeutet ihm nichts. Es ist so wie …«
Sieunterbrach sich, weil ein Kellner an ihren Couchtisch trat und Annas Salat servierte, an den sie schon gar nicht mehr gedacht hatte. Sandrine, die aussah, als sei Nahrungsaufnahme für sie ein Fremdwort, wartete, bis der Mann sich wieder diskret entfernt hatte.
»Du bist für ihn ungefähr so wichtig wie ein Kamel in der Wüste von Qatar. Da soll’s doch hingehen, oder?«
Sandrine griff nach dem Koffer. Anna beherrschte den Reflex, ihn an sich zu ziehen. Wenn Weller ihr gegenüber derart illoyal war, dann musste sie auch den Koffer nicht verteidigen. Sandrine erhob sich, als hätte sie mit keiner anderen Reaktion gerechnet, und sah auf ihre Armbanduhr.
»Ich bin froh, dass du vernünftig bist. Das Essen hier ist übrigens vorzüglich. Lass es dir schmecken.«
Sie verließ die Lounge.
Anna sah ihr hinterher, bis sich die Milchglasscheiben hinter ihr wieder geschlossen hatten. Sie konnte keinen klaren Gedanken fassen. Weller hatte ihre Nacht hinausposaunt, und Sandrine hatte seinen Koffer geklaut. Wenigstens musste sie sich jetzt keine Ausrede mehr einfallen lassen, warum sie seinen Auftrag abgelehnt hatte.
Nachdenklich tupfte sie ein paar winzige Brotkrümelchen von ihrem unberührten Teller. Was sie mit Weller erlebt hatte, lag auf seiner Erinnerungsskala ungefähr dort, wo er wohl auch die Börsenkurse von vorgestern ablegte. Sandrine und er kannten sich. Und sie, Anna, sollte zusehen, dass sie so schnell wie möglich das Weite suchte.
Sie rieb sich die Finger ab. Erstaunt sah sie auf den Teller. Das waren keine Brotkrumen. Auch auf dem Sessel, auf dem Sandrine bis eben gesessen hatte, entdeckte sie die winzig kleinen Körnchen. Sie führte die Hand über den Stoff und hielt inne. Es war Sand.
Anna holte die Kamera ab und verließ den Flughafen, so schnell sie konnte. Sie musste weg. Fieberhaft überlegte sie, an welchen Ort sie gehen konnte, um alles zu vergessen, was sie in den letz tenvierundzwanzig Stunden erlebt hatte. Erst als sie in das gleißende Sonnenlicht hinaustrat, konnte sie wieder durchatmen. Während Menschen mit Rollkoffern und überladenen Gepäcktrolleys an ihr vorüberzogen und statt Fernweh nur noch Hektik und atemlose Eile das Bild bestimmten, wusste sie, wohin sie gehen würde. Es würde ein Ort sein, der das genaue Gegenteil von Geld und Macht, Reichtum und Überfluss sein würde. Ein Ort, über den Weller und Sandrine wahrscheinlich die Nase rümpfen würden, der aber der einzige war, der Anna in diesem Moment einfiel und an dem sie willkommen sein würde. Und an dem Weller niemals auftauchen würde.
Anna verschwand in dem Moment von der Bildfläche, als sie den Bus in Richtung Hauptbahnhof bestiegen hatte und dieser langsam angefahren war.
Weller tippte ärgerlich auf seine gläserne Schreibtischplatte. Das Bild erlosch. Dann lehnte er sich in seinen Drehsessel zurück, führte sie Fingerspitzen zusammen und legte sie nachdenklich an den Mund. Einige Minuten verharrte er beinahe reglos, die Augen geschlossen, als ob er sich an dem atemberaubenden Panorama der
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