Dämonenherz
für Sie aufbewahren?«
»Nein. Aber das hier, bitte.«
Sie übergab Guyots Kamera. Ihr fiel ein, dass sie noch immer nicht nachgesehen hatte, welche Aufnahmen der verhinderte Sensationsreporter als Letzte geschossen hatte. Sie beschloss, sich der Kamera zu widmen, wenn keine Zeugen in der Nähe wären.
Der Barkeeper brauchte nur eine Minute, um Anna eine Bloody Mary zu mixen, die sie in jeder anderen Situation glatt aus dem Stuhl gehoben hätte. Im Handumdrehen hatte er auch die Schale mit den japanischen Reiscrackern nachgefüllt, deren Inhalt Anna gierig in sich hineingeschaufelt hatte. Unaufgefordert reichte er ihr eine Speisekarte und erklärte auf ihre Frage nach den fehlenden Preisen, dass die frisch zubereiteten Gerichte im Service inbegriffen seien.
Anna bestellte einen Cesars Salad, nippte am Rest ihres Drinks und sah sich unauffällig um. Keiner der anderen Gäste schien Notiz von ihr zu nehmen. Alle waren beschäftigt mit ihrenZeitungen, Laptops oder Handys. Anna fiel ihr Mobiltelefon ein. Zu ihrer größten Erleichterung stellte sie fest, dass sie wieder Empfang hatte. Sie ging – den Koffer in der einen, das Glas in der anderen Hand und das Handy unter das Kinn geklemmt – zu einem Sessel mit Cocktailtisch, setzte sich und wählte die Nummer ihres Büros, aber Vicky ging nicht an den Apparat. Dann versuchte sie, ihre Geschäftspartnerin auf dem Handy zu erreichen. Als auch das nicht gelang, wählte sie ihre Privatnummer. Keine Vicky. Seltsam.
Sie hinterließ auf allen drei Anrufbeantwortern dieselbe Nachricht mit der dringenden Bitte um Rückruf. Sie hatte das Handy noch nicht in ihrer Jackentasche verstaut, da bemerkte sie, wie der Mann zwei Tische weiter die Zeitung sinken ließ. Unter den fast ausschließlich männlichen Gästen breitete sich eine leise, kaum spürbare Unruhe aus. Alle schauten zum Eingang. Als Anna ihren Blicken folgte, wusste sie, warum.
Die blonde, überschlanke Frau hielt sich nicht lange mit Höflichkeitsfloskeln auf. Sie passierte die Eingangskontrolle ebenso nebensächlich, wie sie wohl auch einen Einkaufswagen durch die Supermarktsperre schieben würde, und steuerte direkt auf die Bar zu. Ohne die Anwesenden auch nur eines Blickes zu würdigen, bestellte sie etwas zu trinken und wollte sich auf dem Barhocker niederlassen, auf dem eben noch Anna gesessen hatte, als sie innehielt und sich langsam umdrehte.
Die Nasenflügel etwas aufgebläht, als ob sie eine gefährliche Witterung aufnahm, tastete Sandrines Blick die Flughafenlounge ab und blieb an Anna hängen.
Annas Puls begann zu rasen. Es war, als ob Sandrine ihr per Telepathie einen Stromschlag versetzt hätte. Unwillkürlich zuckte sie zusammen und rutschte so tief in die Polster ihres Sessels, wie es nur möglich war. Zu spät. Sandrine nahm ihr Glas und schlenderte mit einem kalten Lächeln auf ihr alte-neuebeste-gar-nicht-Freundin zu.
»Was für eine Überraschung.«
Sie stellte ihren Drink vor Anna auf den Tisch und nahm un gefragtPlatz. Sie trug dasselbe Kostüm wie im Grand Hotel. Die Brillantbrosche funkelte, dass es Anna fast in den Augen weh tat. Sie musste das Licht aus dem Fenster brechen, anders konnte sich Anna dieses Blenden nicht erklären. Sie legte die Hand vor die Augen, um den Schein etwas abzudämpfen.
»Darf ich fragen, was du hier suchst?«
Sandrines Stimme klang, als ob sie damit ihre Brillanten für den täglichen Bedarf selber schneiden würde. Sie hob ihr Glas und trank einen Schluck. Das gab Anna die nötige Zeit, sich zu fassen und ihren flatternden Puls zu beruhigen.
»Dasselbe wie du«, antwortete sie. »Ich verreise.«
»Und wohin, wenn man fragen darf?«
»Ein paar Tage Urlaub. Und du?«
Doch Sandrine hatte nicht vor, Annas Neugier zu befriedigen. Sie ließ einen abschätzenden Blick über den Aufzug ihres Gegenübers gleiten, der zum Bäumefällen wie zum bäuchlings durch Garagen Robben gleichermaßen gut geeignet zu sein schien, nicht aber, um mit einer Frau von Sandrines Format die gleiche Luft zu atmen. Sandrine wies auf den Koffer, den Anna rechts von sich auf den Boden gestellt hatte. Die Geste allein reichte, dass Anna ihn sofort etwas näher zu sich zog.
»Und dann nimmst du die Arbeit gleich mit?«
»Immer im Dienst.«
Anna schwieg. Die Stille zwischen den beiden Frauen dehnte sich aus. Sandrine hob ihr Glas. Die Eiswürfel klirrten leise, als sie einen kleinen Schluck daraus trank.
»Du bist für Weller unterwegs.« Sie musterte Anna über den Rand ihres
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