Dämonenherz
den Raum, der heiß wie ein Hochofen war. Anna hatte keine Kraft mehr, sich festzuhalten. Dieses Ungeheuer würde sie verschlingen. Der Sandsturm um sie herum peitschte ihre Haut, und sie fühlte, wie sie in etwas unglaublich Furchtbares hinabgezogen wurde.
Etwas flog durch die Luft und rammte sich hinter ihnen wie ein Pflock in den Boden. Das ganze Haus erzitterte. Guyots Klammergriffließ nach, Anna stürzte auf den Boden, der mit einer knöchelhohen Sandschicht bedeckt war, was ihren Aufprall etwas milderte. Sie blinzelte. Das Wesen schwankte von einem gewaltigen Bein auf das andere und wandte sich zur Tür.
»Jean-Baptiste!«
Anna heulte beinahe auf vor Freude. Der Diener hielt zwei Eimer in der Hand, von denen er in diesem Moment einen absetzte.
Guyot setzte erneut zu einem markerschütternden Gebrüll an. Er senkte den Kopf hinunter auf die Brust und stapfte auf die Tür zu. Um ihn herum wirbelte der Sturm mit ungeminderter Kraft, doch Anna schaffte es, zurück zum Fenster zu kriechen und zumindest ihr Gesicht mit ihren Armen zu schützen. Der Boden des Raumes zitterte unter den stampfenden Schritten des Dämons, der sich nun zielstrebig seinem neuen Opfer zuwandte.
»Er ist gefährlich!«, brüllte sie gegen den Orkan.
Ein geradezu lächerlicher Hinweis. Doch der Diener schien sich bereits selbst einen Überblick über die Lage verschafft zu haben. Er hob den Eimer und schüttete den Inhalt auf Guyot. Mit einem fürchterlichen Schrei brach dieser zusammen, schaffte es aber unter Aufbietung sämtlicher Kräfte, wieder auf die Beine zu kommen. Ungerührt nahm Jean-Baptiste den zweiten Eimer. Das Wesen verharrte pendelnd. Offenbar wusste es nicht, wie es sich verhalten sollte. Es stieß einen klagenden Laut aus, den Anna in jedem anderen Moment ihres Lebens als mitleiderregend empfunden hätte. Mistvieh, dachte sie stattdessen. Geschieht dir recht! Jean-Baptiste holte aus, und die zweite Ladung traf den Dämon mitten auf den breiten Brustkorb.
Er stieß ein Röcheln aus, ruderte noch einmal hilflos mit den viel zu langen Armen und fiel in sich zusammen. Mit ihm verschwand der Sturm, und der Sand, der soeben noch durch die Luft gewirbelt war, fiel herab. Die plötzliche Stille war so überwältigend, dass sie Anna in den Ohren dröhnte.
In drei Schritten war Jean-Baptiste bei ihr und riss sie hoch.
»Schnell. Raus hier.«
Erzog sie vom Fenster weg, doch aus den Augenwinkeln konnte Anna erkennen, dass sich draußen neues Unheil zusammenbraute.
»Wo ist Weller?«
Jean-Baptiste antwortete nicht. Sie waren schon fast an der Tür.
»Hat er das alles hier angerichtet? Was ist hier eigentlich los?«
»Kommen Sie! Sie müssen hier weg!«
»Ich muss gar nichts. Wo ist mein Vater? Und wer macht die ganze Sauerei hier wieder weg?«
»Mademoiselle …«
Sie riss sich los. »Ich will nicht fort. Ich will Weller sehen. Sofort.«
»Das wird nicht gehen. Der Herr ist beschäftigt.«
»Oho! Das war ich bis eben auch! Womit haben Sie dieses Ungeheuer eigentlich kleingekriegt?«
Jean-Baptiste seufzte. »Mit Wasser. Das ist doch das Einfachste von der Welt.«
Anna konnte nicht glauben, was für eine Unterhaltung sie gerade führte.
»Mit Wasser. Okay. Und warum war Guyot hier? Oder dieses untote Ding, das jemand auf mich gehetzt haben muss?«
Jean-Baptiste trat einen Schritt auf sie zu und funkelte sie mit seinen schmalen Augen an. Tief in ihnen schimmerte ein Hauch von Grün.
»Weil Sie, Mademoiselle, sich in Angelegenheiten mischen, die Sie nichts angehen. Wenn ich Ihnen einen guten Rat geben darf: Machen Sie, dass Sie davonkommen. Verschwinden Sie. Und schauen Sie sich nie, niemals um!«
Sein hageres Gesicht spiegelte Wut und Sorge zugleich. Bestimmt nicht um mich, dachte Anna.
»Was zahlt er Ihnen eigentlich, dass Sie sich so den Kopf Ihres Chefs zerbrechen?«
Jean-Baptiste straffte die Schultern. »Geld interessiert uns nicht.«
»Wasdenn dann?«
Der Glanz in seinen Augen vertiefte sich. Er erinnerte Anna an ihr altes Radiogerät, an dem sie als Kind herumgespielt hatte. Das grüne Auge. Je besser ein Sender zu empfangen war, desto strahlender war das Licht. Im Moment musste Jean-Baptiste einen besonders guten Empfang haben, wenn sein Blick auch bei Weitem nicht an den Schock heranreichte, den Anna bei Wellers Foto erlitten hatte.
»Der Herr sagt, wir müssen gehen.«
»Was der Herr sagt, interessiert mich nicht.«
Schnippisch schürzte Anna die Lippen. »Erst soll er mit Besen und Schippe hier
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