Daemonenherz
Himmel auch nicht also was soll‘s!»
Ich brach in Tränen aus, was mich noch wütender machte. Dieses Verhaltensmuster schien Belial besser zu gefallen. Zumindest konnte sie mehr damit anfangen.
«Hör auf zu heulen», schalt sie mich und packte mich an den Schultern. «Reiß dich zusammen. Alle Augen der Hölle sind nun auf dich gerichtet. Entweder du kämpfst, oder du stirbst!»
Da war die verbale Ohrfeige. Keine Ahnung, wie Belial das schaffte, aber sie fand die richtigen Worte. Zwar nicht die Zimperlichsten, aber immerhin halfen sie. Ich schniefte, wischte die Tränen von meinem Gesicht, zwang mich, die Wut hinunter zu schlucken und nickte.
«Gut», flüsterte ich. «Was muss ich wissen.»
Höllen-Knigge für Dummies
Es gab eindeutig zu viel, das ich wissen musste. Darum beschränkte sich Belial auf dem Weg zu meinem Zimmer auf das Wesentliche. Das wir – die Dämonen zweiten und dritten Ranges – für den reibungslosen Ablauf und die Seelen zuständig waren. Lilith hatte die
Tracker
und
Hunter
unter sich, also jene, die Seelen verfolgten und die, die sie schließlich jagten. Sozusagen die roten Punkte auf den Bildschirmen in der Sicherheitszentrale der Engel. Belial kommandierte die Armeen der Hölle, die aber nur in Notfällen zum Einsatz kamen, wie die Schlacht bei Ygdrasil. Akephalos war ein Dämon des dritten Grades und einer der Wächter der sieben Pfuhle, in denen die Seelen festgehalten wurden. Der Dämon mit dem zugenähten Mund, den ich bei meiner Rettung gesehen hatte, war Azazel gewesen. Vor meinem inneren Auge erschien der Banker mit dem spendierten Drink und versuchte, sich mit dem Bild des furchteinflößenden Dämons auf dem Plateau abzugleichen.
Somit waren wir fünf. Mit etwas Stolz erinnerte ich mich daran, dass ich noch eine Stufe höher war. Es war ein seltsames Gefühl. Ich stand auf derselben Stufe wie Lucifel persönlich. Neben ihm der einzige gefallene Engel der Hölle.
Belial bemerkte das und stieß mir den Ellenbogen in die Rippen.
«Bleib auf dem Boden. Nur weil du die höchste Stufe hast, heißt das nicht, dass du uns gewachsen wärst.»
Da hatte sie auch wieder recht und erinnerte mich an meine kümmerliche Lebenserwartung von zirka zehn Sekunden.
«So, hier wären wir», sagte sie und blieb vor einer Flügeltür stehen.
Wenn ich mich recht entsann, waren wir an ihrem Zimmer vorbei gekommen. Das hier lag etwas weiter hinten. Sie öffnete die Tür und ich trat ein. Am liebsten hätte ich gleich kehrt gemacht.
Es war Raciels Zimmer gewesen. Sein Geruch erfüllte den ganzen Raum und alles lag so da, wie er es verlassen hatte. Kleidungsstücke lagen wild durcheinander, ein Hemd hing über einem Schwert, das an einer Wand lehnte.
Ich biss die Zähne zusammen. Das allerdings half nichts. Ich heulte los, während Belial neben mir vorbei ins Zimmer trat und Raciels Kleidung einzusammeln begann. Sie warf den ganzen Knäuel in einen Schrank gegenüber vom Bett.
Hier hatte ich meine letzte Nacht mit ihm verbracht. Es war tatsächlich noch so, wie es war, als Belial mich zu Ygdrasil gebracht hatte. Er war nach meiner Rettung nicht mehr hier gewesen.
Das gab mir den Rest und ich brach weinend in die Knie. Belial verdrehte die Augen und setzte sich aufs Bett. Sie beobachtete mich eine Weile.
«Gehen wir. Ich beauftrage eine Dienerin damit, den Raum zu leeren und aufzuräumen, damit du einziehen kannst.»
Ich nickte nur. Ich hätte seine Sachen gerne behalten. Aber ich war kein Masochist. Je schneller ich alles von ihm los war, desto eher würde ich mich vermutlich damit abfinden.
«Ach ja, hier», fügte sie hinzu und warf mir etwas entgegen. Etwas ungeschickt fing ich es auf. Es war ein silberner Ring an einer Kette. Er sah alt aus, an einigen Stellen bereits mit Rissen versehen.
«Kurz vor seiner Kamikaze-Aktion beim Plateau hat er mir das in die Hand gedrückt. Er sagte, ich solle es dir irgendwann geben, sollte ich dich je wieder sehen. Er hat wirklich nicht damit gerechnet, dass du so dämlich sein würdest, zurück zu kehren, um ihn zu retten.»
Aus ihrem Mund hörte sich das wie ein Schwerverbrechen an. Ich hingegen war hin und her gerissen. Wieder einmal vermischte sich die Trauer mit unvorstellbarem Glück. Das war ein Gefühl, das ich begonnen hatte zu hassen. Abgrundtief. Ich wollte das nicht mehr. Ich löste den Ring von der Kette und schob ihn mir über den Finger. Wegwerfen wollte ich ihn nicht. Er sollte mich an den Grund erinnern, warum ich
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