Dämonenjäger Murphy - Haus der Dämonen
Wunden, schaumstarrenden Lefzen - und es kroch auf sie zu. Kein Erkennen lag in dem Blick dieser wahngeborenen Kreatur.
Neben Inge peitschte ein Schuss auf. Noch einer. Zwei rote Blumen erblühten auf der blasphemischen Fratze, die sich nun dem Schützen zuwandte. Schnell stülpte sich aus dem Rumpf der Kreatur eine Vielzahl von Fortsätzen aus, die in scharfen Krallen endeten. Sie schossen auf Lautenbach zu, umschlangen ihn und bohrten sich in sein Fleisch. Er schrie irr vor unsäglichen Schmerzen auf und wurde in das amorphe Gewimmel hinabgezogen. Übereinanderkriechendes kryptisches Gewürm wälzte sich auf ihn und saugte ihn in sich hinein. Es bedeckte ihn mit klebrigen Auswürfen, trug ihn zur Mitte des Bassins und tauchte fort. Gurgelnd erstickten die grässlichen Schreie des Opfers.
Mit leerem Kopf, unfähig zu weiteren Empfindungen und Überlegungen, stürzte Inge von jenem Pfuhl fort und rannte den Gang zurück, durch den sie gekommen war. Nirgends ein Ausweg, alles verschlossen in einem System des Wahnsinns. Sie hörte, dass Susanne hinter ihr hertaumelte, wartete jedoch nicht auf sie. Erst mitten in dem schmalen, dunklen Schlauch blieb Inge erschöpft stehen. Susanne hatte sie nun erreicht und klammerte sich wimmernd und zitternd an sie.
Ängstlich schaute Inge sich um. Noch immer hielt sie den Leuchter in der Hand, auf dem nur eine einzige Flamme die Flucht aus jenem Loch des Entsetzens überlebt hatte. An ihr entzündete sie die anderen Kerzen wieder.
Nichts war ihnen gefolgt, und nichts schien aus der Dunkelheit auf sie zuzukommen.
Als es durch das wiedergewonnene Licht in ihrer unmittelbaren Umgebung ein wenig heller geworden war, gewahrte Inge, wie sich in der dunklen Schachtwand vor ihr langsam ein Durchgang bildete als werde er von einer gewaltigen Faust in die Wand hineingedrückt, die endlich in der Mitte der Vertiefung mit einem leisen Reißen dem Druck nachgab, aufplatzte und sich zu einem Wall aus Finsternis öffnete. Inge machte eine Bewegung auf dieses Düstere hin, doch Susanne hielt sie zurück: "Nein! Nicht da hinein! Da will ich nicht hin!"
Inge erwiderte nichts, sondern machte sich von Susanne los. Dumme Pute! Was blieb ihnen schon übrig? Und was hatten sie noch zu verlieren in diesem Irrsinn? Sie streckte den Leuchter so weit wie möglich vor sich und trat behutsam in die entstandene Öffnung. Schnell umfing sie die Dunkelheit, doch diese war von anderer Beschaffenheit als jene draußen vor den Fenstern. Sie verschloss zwar die Umgebung vor jedem Blick, besaß aber keine körperlichen Auswirkungen. Bereits nach wenigen Metern umgab Inge die dämpfende Schwärze von allen Seiten. Sie wurde nur in einem winzigen Radius vom Schein der ruhig brennenden Kerzen ausgehöhlt.
Schritte, leise wie ein Wispern, drangen vom Durchlass hinter ihr. Inge drehte sich um. Sie erkannte die graue Gestalt erst, als sie beinahe vor ihr stand. Susanne. Wortlos ergriff sie Inges freien Arm, nickte ihr zu und bedeutete ihr so weiterzugehen.
Sie wanderten lange durch das Dunkel, hörten nichts, sahen nichts um sich herum. Selbst der Boden blieb schwarz, unsichtbar.
Plötzlich hielt Inge inne. Irgendwo vor sich hatte sie etwas gehört, ein Ticken wie von einer großen Uhr. Auch Susanne schien es bemerkt zu haben. Während sie in die Schwärze lauschten, begann sich - zunächst kaum merklich - ihre Umgebung aufzuhellen. Aus ihr schälten sich quälend langsam regelmäßig geformte Gegenstände heraus. Das Ticken wurde lauter, hatte seinen Ursprung irgendwo nahe vor ihnen.
ZWISCHENSPIEL
Murphy saß im Zug nach Karlsruhe. Es war knapp gewesen.
Diese phantastische Frau am Frankfurter Flughafen - es war einer der ältesten Tricks der Welt gewesen. Als Murphy ihre Augen und ihre Zähne gesehen hatte, hatte er alles gewusst. Er hatte ruhig den Koffer geöffnet, als habe er nichts bemerkt, und mit einer präzisen Bewegung jene kleine Flasche mit der durchsichtigen Flüssigkeit gegriffen, die zum Glück ganz oben gelegen hatte. Er brauchte sie nur auf den Boden fallen zu lassen; ihre Dämpfe verwandelten das Wesen, das wie eine Frau ausgesehen hatte, in Sekundenschnelle in einen abscheulichen Schleimklumpen. Sofort hatte Murphy seinen Koffer wieder geschlossen und war aus dem Zimmer gerannt.
Jetzt - im Zug nach Karlsruhe - dachte er über die ganze Angelegenheit nach. Die Dämonen der Dämmerung wussten, wo er war, und sie versuchten ihn aufzuhalten - aber diese Versuche waren höchstens halbherzig.
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