Dämonenkind 01 - Kind der Magie.pdf
heftigen Grolls beschäftigte ihn nicht selten die Frage, was R'shiel wohl angetan worden sein mochte, dass sie sich in solchem Hass suhlte. Der heutige Zank hatte ihn abermals in der Überzeugung bestärkt, dass sie als gefährlich eingestuft werden musste.
Bei einem Scharmützel um ein Gehöft nördlich Testras waren einige Rebellen in Gefangenschaft geraten. Wie Späher beobachteten, ließ man sie - aus zunächst unerklärlichen Gründen - schon wenige Stunden später frei. Als sie am Morgen im Weinberg eintrafen, überbrachten sie eine von Frohinia Tenragan eigenhändig geschriebene Mitteilung an Tarjanian. Die Botschaft war kurz und sachlich knapp verfasst.
Es ist genug , stand in dem Brief. Sei am Mittag des kommenden vierten Wochentags in Testra im Gasthaus Zum Steinernen Steg. Draco verfügt über alle Vollmachten, um in meinem Namen mit dir zu verhandeln .
Das Schreiben stank geradezu nach Hinterlist. Hätte Frohinia Hochmeister Jenga entsandt, begründete Tarjanian seine Bedenken, bestünde vielleicht keine Veranlassung zum Argwohn, aber Draco war stets das Werkzeug der Ersten Schwester gewesen. Er hatte drei Ersten Schwestern gedient und keiner von ihnen auch nur im Mindesten einen Vorwand zum Stirnrunzeln geboten.
Der Brief versetzte die Rebellen in höchste Begeisterung. Sie erblickten darin einen Beweis, dass ihr Aufbegehren Früchte trug. Tarjanian wandte sich mit Nachdruck, bis ihm schier die Stimme versagte, gegen die Auffassung, es dürfe irgendeinem Wort, das von Frohinia kam, Glauben geschenkt werden, und in diesem Fall stimmte ihm R'shiel zu - wenn auch aus anderen Gründen. Der Aufstand dauerte noch gar nicht lange genug, um Entscheidendes verändert haben zu können. Ein paar an Mauern gepinselte Aufrufe und einige erfolgreich verlaufene Scharmützel brachten das Joch der Schwesternschaft beileibe nicht ins Wanken. Aber die erdrückende Mehrheit der Rebellen dachte anders. Sie zählte die Siege auf; sie behaupteten, das Quorum übe auf Frohinia Druck aus, um unter die Säuberung einen Schlussstrich zu ziehen.
Schließlich setzte sich Tarjanian wenigstens insofern durch, dass man ihm auf sein hartnäckiges Beharren erlaubte, sich allein zu den Verhandlungen zu begeben. Allerdings beabsichtigten Ghari und mehrere andere Männer, am Vortag Testra aufzusuchen und sich dessen zu vergewissern, dass man keine Falle vorbereitete. Brakandaran meldete sich freiwillig als Tarjanians Begleiter, vorgeblich um Zeuge der Unterhandlungen zu sein, tatsächlich jedoch mehr aus Neugierde als aus irgendeinem anderen Grund. In dieser Hinsicht ließ man Tarjanian keine Wahl.
Seit diese Entschlüsse gefällt worden waren, schwelgten die Rebellen in überschwänglicher Stimmung. Manche sprachen übers Heimkehren. Andere träumten vom Wiedersehen mit ihren nach Grimmfelden verbannten Familien. Ihre Zuversicht war eindeutig verfrüht, doch Tarjanian konnte sagen, was er wollte, es bewog sie nicht zum Umdenken. Sie waren keine Kämpfernaturen. Sie sahen nicht ein, dass sie sich überhöhten Hoffnungen hingaben. Mehrheitlich ersehnten sie nichts anderes, als in Frieden ihre Götter verehren und die Erinnerung an die alten Zeiten pflegen zu dürfen, in denen noch die Harshini mit ihren Dämonen und von Magiern gezüchteten Rössern durchs Land geschweift waren. Brakandaran hatte Verständnis für derlei Empfindungen, aber Tarjanians Einwände überzeugten ihn vollständig.
Die Erörterungen waren in dem riesigen Keller des verlassenen Weinguts noch in vollem Gang. Brakandaran war ins Freie gegangen, angeblich wegen des Bedürfnisses nach Frischluft. In Wahrheit entzog er sich der Beratschlagung, weil er R'shiels Aufwiegeleien nicht mehr hören mochte. Tarjanian empfahl aus gänzlich sinnvollen Erwägungen Vorsicht. R'shiel suchte nichts als den Kampf. Ihr Rachedurst war noch längst nicht gestillt, und sie kannte nicht die mindeste Bereitschaft zum Nachlassen. Das Mädchen hatte eine beispiellose Begabung, genau das zu schwafeln, was die Rebellen gerne hörten, vor allem die jungen, hitzköpfigen Kerle. Brakandaran fragte sich ernstlich, ob sie überhaupt jemals wieder Frieden finden würde. Für ihn hatte es den Anschein, als müsste der Hass sie ein Lebtag lang aufstacheln.
Zwischen ausgedehnten Anlagen vermoderter Rebstöcke schlenderte Brakandaran fort von dem im Dunkeln liegenden Gutshaus und grübelte über die gegenwärtige Lage nach. Frohinias Botschaft mochte sehr wohl eine Falle sein, aber die eigentliche
Weitere Kostenlose Bücher