Dämonenkind 01 - Kind der Magie.pdf
Brakandaran. Ich vergesse es bisweilen, das ist alles.«
Während sie sich der niedrigen Steinmauer näherten, die den Hof des Weinguts umringte, hob Brakandaran die Hand, und sie verharrten. Ein Kegel gelblichen Lichts fiel aus dem Gebäude, als jemand die Tür öffnete. Zwei Gestalten traten heraus. Tarjanian hatte R'shiel, allerdings nicht sonderlich sachte, bei der Hand gefasst. Er führte sie um die Ecke des Bauwerks und fuhr herum, als sie ihm die Hand ruckartig entzog.
»Was, bei den Sieben Höllen, denkst du dir eigentlich?«, herrschte er sie an.
Brakandaran bot hinlängliche Magie-Kraft auf, um sich unsichtbar zu machen. Um Kalianah kümmerte er sich nicht. Niemand erblickte die Göttin, wenn sie es nicht wünschte.
»Ich helfe ihnen dabei«, schleuderte R'shiel dem einstigen Hüter-Hauptmann entgegen, »für ihre Überzeugung zu kämpfen!«
»Du gibst in Wahrheit keinen Deut um die Überzeugung dieser Menschen. Du legst dich ausschließlich so ins Zeug, um dich an Frohinia zu rächen.«
»Da sehe ich einen Sterblichen, der meiner Beihilfe bedarf«, sagte Kalianah mit einem Seufzer. Brakandaran hob den Finger an die Lippen, um die Göttin zum Schweigen zu ermahnen. Er legte darauf Wert, auch den Rest des Wortwechsels zu belauschen.
»Und wenn schon?«, hielt R'shiel ihm entgegen. »Was geht's dich an? Du tust nichts anderes, als noch heute den Hüter zu mimen, indem du diesen Haufen Bauernflegel in deine eigene Söldnerschar ummünzt. Als Nächstes wirst du ihnen wohl einen Treueschwur abfordern.«
Au weia , dachte Brakandaran. Besser als jeder andere wusste R'shiel, was es Tarjanian abverlangt hatte, den im Hüter-Heer geleisteten Eid zu brechen.
»Das Mädchen braucht jemanden, der es liebt«, sagte Kalianah. »Was meinst du, soll ich bewirken, dass sie sich ineinander verlieben?«
»Seht...!«
»Dann schwörten sie wenigstens auf etwas, an das sie glauben, R'shiel«, gab Tarjanian so leise zur Antwort, dass Brakandaran es kaum verstehen konnte. »Du glaubst an gar nichts.«
»Du etwa?«, erwiderte R'shiel. »Du findest doch an den Heidengöttern ebenso wenig wie ich. Oder haben vielleicht Mandahs Küsse dein Hirn so umnebelt, dass du allmählich doch zu ihrem Anhänger wirst?«
»Sie ist eifersüchtig, das ist ein gutes Zeichen.«
»Kalianah, schweig!«
»Lass Mandah beiseite, R'shiel«, entgegnete Tarjanian.
»Ach? Hab ich etwas Ungünstiges über deine abgeschmackte kleine Metze gesagt? Bei den Gründerinnen, wie bin ich des Mädels überdrüssig! Sie braucht dich nur anzuschauen, und schon liest du ihre die Wünsche von den Lippen ab und springst nach ihrem Willen. Mich beschuldigst du, dass ich diese Leute benutze, um an Frohinia Vergeltung zu üben. Aber wenn du mich fragst, dann verweilst du nur in ihrer Mitte, weil sie dich fast so verehren wie eine ihrer verworfenen Gottheiten. Bist du schon mit ihr ins Heu gekrochen?«
»Er muss sie küssen«, äußerte Kalianah, indem sie die Brauen wölbte. »In dieser Verfassung kann sie nicht bleiben.« Die Göttin winkte mit der Hand, und Tarjanian, der dicht davor gewesen war, R'shiel eine Maulschelle zu geben, packte sie plötzlich an den Schultern, presste sie gegen das Gemäuer und küsste sie mit unwiderstehlichem Nachdruck. Obwohl er R'shiel überraschte, hatte sie anscheinend nicht das Geringste dagegen.
»Kalianah! Lass ab! Sie sind Bruder und Schwester.«
»Rede keinen Unfug, Brakandaran. Wie könnten sie Geschwister sein? Lorandranek hat nur ein Kind gezeugt.«
»Aber sie ist nicht...«
»Nicht das Dämonenkind?«, vollendete die Göttin erstaunt an seiner Stelle den Satz. »Freilich ist sie's. Wen hast du denn dafür gehalten?«
Brakandaran starrte das Paar an, das buchstäblich im Handumdrehen dermaßen unter Kalianahs machtvollen Einfluss geraten war, dass sich absehen ließ, wie es binnen kurzem gleich hier im Hof die begonnenen Zärtlichkeiten bis zum nahe liegenden Abschluss führen würde. »Genug, Kalianah. Lass sie wenigstens erst einmal verschnaufen.«
Die Göttin seufzte ein zweites Mal und winkte erneut. Allerdings waren derlei Gebärden bloß eine Angewohnheit. Allein mittels der Macht der Gedanken verwirklichte sie ihren Willen. Das Paar trennte sich aus der Umarmung und sah sich für einen Augenblick stumm an, ehe R'shiel ins Dunkel floh. Tarjanian schaute ihr nach, dann sank er rücklings an die Mauer, als könnte er, was über ihn gekommen war, nicht begreifen. Unter diesen Umständen, dachte sich
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