Dämonenkind 01 - Kind der Magie.pdf
dass man ihn noch in der Wachstube verstehen musste. »Und ich wette, das ist deine wahre Berufung.«
»Ein so jämmerlicher Halunke wie Ihr könnte mir nicht genug bieten, um von mir angerührt zu werden«, erwiderte R'shiel. Naturgemäß war es außerordentlich gefährlich, ihn so zu reizen.
»Du freche kleine Schiunze«, knurrte Loclon. »Du verdienst, was dich erwar...«
»Hauptmann? «
»Was denn?«
»Der Schreiber mit der Angeklagtenliste für das Gericht ist da. Er sagt, Ihr müsstet sie gegenzeichnen.«
Loclon betrachtete R'shiel lüsternen Blicks und rieb über die Ausbeulung seiner Hose. »Wir sprechen uns noch, du Saumensch.«
R'shiel streckte sich auf der Pritsche aus und entließ gedehnt die angestaute Luft aus der Brust. Sie legte den Kopf auf die verschränkten Unterarme. Auf diese Weise unterband sie ihr Beben.
Am fünften Tag der Gefangenschaft sollte das Gerichtsverfahren stattfinden. Die Schwesternschaft des Schwertes hatte ein Sondergericht für die mit der heidnischen Rebellion zusammenhängenden Fälle angeordnet. Gemunkel zufolge stand Tarja eine Aburteilung bevor. Mit R'shiels Fall gedachte sich wohl Schwester Harith zu befassen.
Man weckte R'shiel im ersten Morgengrauen und führte sie aus der Zelle in die Wachstube, in deren Mitte man eine Wanne voll kalten Wassers aufgestellt hatte. Ein Wächter reichte ihr ein grobleinenes Handtuch und befahl ihr, sich zu waschen. Nach einem Blick in die Runde der Kerle reinigte sich R'shiel das Gesicht, während man weitere Gefangene in die Wachstube brachte und ihnen die gleiche Anweisung gab. Außer R'shiel holte man sieben Häftlinge aus den Zellen, alles Männer bis auf eine Ausnahme: eine kleine, rundliche Frau mit bemalten Wangen, auf denen Tränen Streifen hinterlassen hatten. Als R'shiel sie anschaute, erkannte sie die Court'esa aus dem Blauen Bullen . Beim ersten Hinsehen hatte R'shiel den Eindruck, als umflimmerte eine Aura die Gestalt der jungen Frau, eine seltsame Mischung aus Licht und Schatten. Missmutig zwinkerte R'shiel, bis die Erscheinung verschwand.
»Tut mir Leid, dass ich dich in Schwierigkeiten gebracht habe«, flüsterte die Court'esa , während sie sich Wasser ins Gesicht spritzte. »Man hat mir keine Wahl gelassen.«
»Sicherlich kannst du nichts dafür.« R'shiel hob die Schultern. Von allen Menschen wusste sie am besten, wie übermächtig Frohinia auftreten konnte.
»Kein Getuschel«, rief Loclon, grabschte ins Haar der Court'esa und bog ihr mit rücksichtsloser Grobheit den Kopf in den Nacken.
Plötzlich mischte sich eine andere Stimme ein. »Lasst sie in Ruhe.«
R'shiel blickte auf und sah zwischen zwei Wächtern Tarja hinter Loclon stehen. Er hatte ein stoppelbärtiges Kinn, ein Auge war dermaßen geschwollen und gebläut, dass das Äußere fast nur noch aus einem Bluterguss bestand.
»Ist wohl 'ne Freundin, hä?«, meinte Loclon, dann drückte er die Court'esa mit dem Gesicht voran ins Wasser. Tarja sprang vor, aber seine Bewacher hielten ihn fest. Wild zappelte die Court'esa . Rücklings stemmte sich Tarja gegen die beiden Hüter, benutzte sie als Stütze, um die Beine emporzuschwingen und Loclon geradewegs in den Steiß zu treten. Vor Schmerz schrie der Hauptmann auf und ließ von seinem Opfer ab, das zu Boden rutschte, hustete und prustete. R'shiel erhaschte die Bluse der Court'esa und zog sie an dem Zipfel beiseite. Loclon stürzte sich auf Tarja. Er klammerte die Fäuste zusammen und schlug sie ihm mit aller Gewalt in die Magengrube. Aufstöhnend sank Tarja in den Armen der zwei Wachen zusammen. Ohne Verzug hob Loclon die Fäuste zum nächsten Hieb.
»Ich glaube, es genügt, Hauptmann.«
Loclon verharrte mitten im Ausholen, als er die Stimme hörte, und fuhr herum. Garet Warner maß ihn mit einem Blick kaum verhohlener Verachtung.
»Der Häftling wollte einen Fluchtversuch unternehmen, Obrist.«
»Mag sein, Hauptmann«, antwortete Warner, ohne sonderlich überzeugt zu wirken.
R'shiel half der Court'esa beim Aufstehen, und dieser Vorgang erregte die Aufmerksamkeit des Obristen. Er wandte sich an die Hüter, die ihn in den Kerker begleitet hatten. »Bringt die Frauen ins Badehaus und lasst sie sich waschen. Anschließend führt sie dem Gericht vor.«
Der Obrist winkte R'shiel und ihrer Leidensgenossin zu; sie ließen sich kein zweites Mal auffordern. Während sie ihm und seinen Männern durch den schmalen Gang folgten, schaute sich R'shiel nach Tarja um. Flüchtig begegneten sich ihre Blicke, und sie
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