Dämonenkind 01 - Kind der Magie.pdf
staubigen Boden zu setzen, und tätschelte ihr tröstlich die Hand.
»Wart's ab, du wirst es gar nicht so übel haben«, verhieß die Court'esa . »Bei deiner Haut und den hübschen, langen Haaren wirft sich ganz bestimmt sofort ein schmucker Rotrock an deine Brust. Dann vergehen die zehn Jährchen wie im Flug.«
R'shiel enthielt sich jeder Antwort. Zehn Jahre in Grimmfelden. Zehn Jahre als Court'esa . Über die Verhältnisse in Grimmfelden gab sie sich keinerlei Selbstbetrug hin. Sie hatte gehört, wie dort die Frauen lebten. Sie hatte die Augen von nach Grimmfelden versetzten Hütern gesehen. Derlei Männer zählten nicht zu den stolzen, an Zucht und Ordnung gewöhnten Kriegern der Zitadelle. Vielmehr bildeten die Hüter der Bannschaft den Abschaum des Hüter-Heers. Bloß ein Jahr in Grimmfelden wäre unerträglich.
Aufruhr am Einlass zum Gefangenenpferch schreckte R'shiel aus ihren kummervollen Gedanken. Hüter stießen das Tor auf und warfen eine Gestalt herein, die mit dem Gesicht in den Staub fiel. Benommen rappelte der Mann sich auf, während die Wächter zur Seite traten, um ihrem Befehlshaber den Zutritt zu ermöglichen. Wer er war, hatte R'shiel sich zu ihrem Leidwesen schon gedacht.
Loclon musterte die rund zwanzig Häftlinge. »Hört gut her! Die Fahrzeuge werden genau nach Vorschrift belegt. Die Weiber in den ersten Wagen. Die Kerle in den zweiten Wagen. Wer glaubt, er kann Possen reißen, darf laufen, und zwar barfuß.« In dem Schweigen, das sich seinen Worten anschloss, ließ er den Blick herrisch über die Gefangenen schweifen. Kein Abgeurteilter war dumm genug, um sich auffällig zu verhalten, ausgenommen vielleicht der Mann, den man unmittelbar vor Loclons Erscheinen in den Pferch geworfen hatte. Rau lachte Loclon, als der Gefangene endlich wieder auf den Beinen stand. »Immerhin ist auf dem Hinweg für Kurzweil gesorgt, Kameraden«, meinte er zu seinen Untergebenen. »Unser wackerer Rebell hat ein loses Maul, wenn ihm der Strick droht.« Damit machte er auf dem Absatz kehrt. Vor dem Tor rollten, von Gäulen gezogen, die roh gezimmerten Gitterwagen heran.
Um den Gefangenen entstand ein Halbkreis, und R'shiel erkannte Tarja. Seine Miene bezeugte eine Art von Betäubung, und am Kinn hatte er eine frische Prellung. Wie gerne R'shiel auch zu ihm geeilt wäre und sich danach erkundigt hätte, auf welche Weise er dem Galgen entgangen war, stand sie noch zu stark unter dem Eindruck des eigenen Unglücks und war dazu nicht im Stande.
Loclon lümmelte sich mit verschränkten Armen am Tor. Er hatte das entstellte Gesicht zu einer bösen Fratze verzogen, und ihn umgab eine ruhelose Aura voller schwärzlicher Schlieren. R'shiel fragte sich, was das düstere Flackern bedeuten mochte, senkte aber, sobald sie es gewahrte, den Blick. Sie wollte nicht seine Aufmerksamkeit erregen. Aber er sah sie. Auf seinen Wink packte ein Wächter sie am Arm und brachte sie zu ihm.
»So, du bist auch dabei, holde Seminaristin?«, fragte er mit seltsam verhaltener Stimme. R'shiel merkte, dass er getrunken hatte. War etwa endlich seine Versetzung nach Grimmfelden angeordnet worden? Garet Warner war am Morgen nicht allzu freundlich zu ihm gewesen. »Ich könnte dir die Reise erheblich erleichtern.«
R'shiel schaute ihm mit offener Verachtung in die Augen, doch er war zu betrunken, als dass Geringschätzung auf ihn noch irgendeine Wirkung gehabt hätte. »Inwiefern?«, fragte sie, obwohl sie die Antwort wusste. Jedoch wollte sie sehen, ob er wahrlich so blöde war, sein Ansinnen hier in dieser Umgebung, im Umkreis der Zitadelle, in Worte zu kleiden. Wenn er Pech hatte, stand unterdessen Hochmeister Jenga hinter ihm. Doch selbst wenn es so käme, sah R'shiel ein, wäre ihr damit kaum geholfen. Ich bin auch nicht seine Tochter .
Loclon langte zu, zog sie an sich und befummelte durch die Falten der Leinenbluse ihren Körper. Sie blickte sich um, da sie erwartete, irgendwer nähme daran Anstoß, aber die anderen Abgeurteilten scherten sich nicht um ihr Los, und die Wachen schauten schlichtweg fort. »Sei schön nett zu mir«, forderte Loclon heiser. »Dann kann ich dir vielleicht verzeihen.«
»Lieber hätte ich eine Schlange im Bett.«
Der Hauptmann hob die Faust, um R'shiel zu schlagen, doch die Ankunft eines Gerichtsschreibers verhinderte es. »Alle Verbannten sind abgezählt und erfasst worden, Hauptmann. Nur das Mädchen hier noch nicht.« Er drückte Loclon ein Pergament in die Hand. »Ihr könnt, wenn Eure
Weitere Kostenlose Bücher