Dämonenkind 01 - Kind der Magie.pdf
Lage zumindest die nachteiligsten Auswirkungen zu verhüten. Sie suchte Abstand von R'shiel, so schnell und so gründlich es sich einrichten ließ.
»Du solltest dich schämen«, schnaubte Jacomina R'shiel an, während sie zur Beruhigung einen Arm um Frohinias Schultern legte. »Nach allem, was Frohinia für dich geleistet hat, fällst du ihr auf derartig abscheuliche Art in den Rücken ...!«
Nun fühlte sich R'shiel nicht mehr zum Schweigen im Stande. »Abscheuliche Art?! Was hat sie denn jemals wirklich für mich getan? Und ich hatte sie nicht gebeten, meine Mutter zu mimen.«
»Ich habe mich darum bemüht, sie nach Kräften zu fördern«, beteuerte Frohinia, indem sie R'shiels Zornausbruch überhörte. »Aber all meine Anstrengungen haben mir nur eine Diebin und Abtrünnige eingetragen. Was habe ich bloß falsch gemacht?«
Francil hatte der gesamten Unterhaltung gelauscht, ohne ein Wort zu sagen; als sie sich nun einmischte, verblüffte ihre Frage R'shiel vollkommen. »Du hast soeben die erstaunlichste Offenbarung bezüglich deiner Abkunft gehört, R'shiel, und dennoch wirkst du nicht im Geringsten überrascht. Hat Frohinia dich schon vor dem heutigen Tag eingeweiht?«
»Tarjanian hat die Wahrheit schon vor Monaten herausgefunden. Für mich war es der glücklichste Tag meines Lebens, als er mir davon erzählte.«
»Da fragt man sich, wie er wohl die Tatsachen entdecken konnte«, äußerte Francil. »Auch ich entsinne mich an die wüsten Anschuldigungen, die er auf dem Konzil erhoben hat, als er es ablehnte, den Treueschwur abzulegen. Ich will hoffen, Frohinia, Ihr hütet die sonstigen Geheimnisse der Schwesternschaft besser als die Wahrheit über Eure Vergangenheit.«
Voller Demut nickte die Erste Schwester angesichts dieser herben Rüge. »Ich kann nur versprechen, dass ich nichts scheuen werde, um sowohl in der Schwesternschaft als auch im Hüter-Heer alles Üble auszumerzen.« Entschlossen straffte sie die Schultern. »Um einen Anfang zu machen, entsage ich der Vorstellung, an die ich mich zwanzig Jahre lang - mit echter Liebe - geklammert habe. Das Mädchen da ist nicht mein Kind, weder jetzt noch in Zukunft. Ich überlasse es Eurer Verantwortung, Harith, über sie und die anderen Verräter, die heute an uns gefrevelt haben, ein gebührliches Urteil zu fällen. Niemals soll man mir nachsagen, ich hätte meinen Einfluss genutzt, um Milde zu erschleichen.«
Laut pochte das Blut in R'shiels Schädel und rauschte dermaßen in ihren Ohren, dass es Frohinias Stimme fast übertönte. Mit einem Mal war ihr zumute, als höbe sich eine gewaltige Last von ihrer Seele.
»Schafft sie fort«, fügte Frohinia mit falscher Rührseligkeit hinzu. »Ich kann ihren Anblick nicht länger ertragen.«
R'shiel war sich unsicher, was nun geschehen sollte.
Kam es womöglich zu einem Gerichtsverfahren? Vielleicht wurde sie zusammen mit Tarja aufgeknüpft. Doch zur Stunde war ihr selbst das gleichgültig.
Im Augenblick zählte nur für sie, dass sie sich zu guter Letzt frei von Frohinia fühlen konnte.
29
R'SHIEL WURDE NICHT GERADE sanft durch die Korridore des Verwaltungsgebäudes geführt. Mittlerweile erhellten sich die Mauern der Zitadelle, und Leute gafften R'shiel an, während sie durch die benachbarten Straßen zur Hochmeister-Kanzlei gebracht wurde. Schließlich erreichten sie den engen Gang zum Kerker, aus dem sie Tarja erst in der vergangenen Nacht befreit hatte. Qualmende Fackeln erhellten das Innere. Die Zitadelle war von den Harshini erbaut worden, die für Verliese keine Verwendung gehabt hatten. Der Kerker befand sich in einem Anbau, der erst in jüngerer Zeit auf Veranlassung der Schwesternschaft errichtet worden war. In dem scheinbar endlos langen Gang stolperte R'shiel wiederholte Male über verkantete Bodenfliesen, bis sie in den gelben Lampenschein des großen Vorzimmers gelangten, in dem mehrere Pulte standen und schattenhafte Gestalten ihren Verrichtungen nachgingen.
»Wer ist das?«
»Die Seminaristin, die gestern bei dem Ausbruch geholfen hat«, gab einer von R'shiels Bewachern Auskunft. »Die Erste Schwester hat angeordnet, sie einzusperren.«
»Rein mit ihr«, sagte ein Hüter. R'shiel hörte Häme aus seiner Stimme. Sie hob die Augen und heftete den Blick auf ihn, einen Hauptmann. Er stieß ein gehässiges Auflachen aus. »Sieh an, sieh an ... Wenn das nicht diese hochgestellte Kratzbürste ist.«
Der Sergeant an R'shiels Seite furchte die Stirn. »Ereifert Euch nicht zu stark, Loclon. Sie ist
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