Dämonenkind 01 - Kind der Magie.pdf
aufnehmen. Kürzlich ist ihr Gesandter abgereist, und er sah wenig zufrieden aus.« Wer dieser Mann war, blieb Jenga verborgen, aber nach seiner Stimme geurteilt, musste er älter als die beiden anderen Hüter sein.
»Tarjanian war immer der Meinung, dass die Karier für Medalon die eigentliche Gefahr sind«, sagte Nheal Alcarnen.
»Und hat es ihm irgendeinen Nutzen gebracht?«, wandte der dritte Mann ein.
»Er ist aus Grimmfelden geflohen. Für mich steht fest, dass wir ausrücken, um ihn und seine Rebellen unschädlich zu machen. Glaubt Ihr, dass man ihn diesmal aufknüpft?«
»Man hätte ihn sofort hängen sollen. Aber Gerüchten zufolge ist er in Wirklichkeit überhaupt nicht fahnenflüchtig, sondern sein Treuebruch nur eine durch ihn und Garet Warner ersonnene List, die es ihm ermöglichen sollte, sich bei den Rebellen einzuschleichen und sie zu entlarven.«
»Eine Überlegung, die mir einleuchtet«, antwortete Obson nachdenklich. »Es wäre eine Erklärung für vieles. Der Mann ist weitaus beherzter als ich, das muss ich eingestehen. Ich möchte ungern alles aufgeben ...«
Die Stirn gefurcht, entfernte sich Jenga. Selbst nach gründlicher öffentlicher Verdammung war im Hüter-Heer noch Tarjanians Einfluss zu spüren. Nicht das erste Mal wünschte sich Jenga, er hätte eine Möglichkeit gehabt, um allein mit Tarjanian zu reden; nicht in der Vernehmungskammer, in Gegenwart der Wachen, sondern von Mann zu Mann.
Jenga hielt eisern daran fest, ein ehrbarer Zeitgenosse zu sein, und während des längsten Teils seines Lebens hatte der Stolz auf das Hüter-Heer ihn zuverlässig gestärkt. Er glaubte ehrlich daran, dass es die heilige Pflicht hatte, Medalon und die Schwesternschaft des Schwertes zu verteidigen und zu beschützen. Heute jedoch fiel es ihm zusehends schwerer, Pflicht und Eid miteinander zu vereinen. Für eine Weile, nämlich während Mahina Erste Schwester gewesen war, hatte er die Pflichten seines hohen Rangs nur zu gern wahrgenommen, denn sie hatte sich ernsthaft um vernünftige Veränderungen bemüht. Doch ihre Amtszeit war allzu kurz gewesen.
Nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass die Hüter am frühen Morgen zum Abmarsch bereit sein würden, kehrte Jenga zurück in seine Hochmeister-Kanzlei. Dort nahm er das Schriftstück zur Hand, das auf dem Pult lag, und las es noch einmal. Es stammte von Verkin an der Südgrenze. In den vergangenen Tagen hatte Jenga es schon so häufig gelesen, dass er den Wortlaut längst in- und auswendig kannte.
Seiner Exzellenz Hochmeister Palin Jenga Oberster Reichshüter
Mein Heerführer, mit tiefstem Kummer muss ich Euch die traurige Kunde vom beklagenswerten Ableben Eures geschätzten Bruders Hauptmann Dayan Jenga vermelden. Sein grausam unzeitiger Tod hatte ein heftiges Fieber zur Ursache, womit ihn eine unreine Court'esa ansteckte. Er hat über zwanzig Jahre lang hei der hiesigen Besatzung voller unerschütterlicher Hingabe seine Pflicht erfüllt und wird uns gewiss auf ewig unvergessen bleiben .
In untertänigster Hochachtung
Euer allzeit dienstwilliger Feldhauptmann
Kraith Verkin
So war Dayan denn tot. Jenga wunderte sich durchaus nicht über die Umstände seines Endes; vielmehr erstaunte es ihn, dass sich so etwas nicht eher ereignet hatte. Er betrauerte seinen Bruder, doch sein Tod befreite ihn endlich von der Last, sich Frohinia erkenntlich zeigen zu müssen. Er las den Brief ein letztes Mal, dann warf er ihn ins Kaminfeuer und schaute zu, während die Flammen ihn verzehrten. Sobald nichts als weiße Asche mehr übrig war, holte er eine Flasche gesetzwidrig gebrannten Kartoffel-Branntweins heraus und betrank sich erstmals seit zwanzig Jahren bis zur Besinnungslosigkeit.
48
Aufmerksam richtete sich Tarjanian auf, als Ghari näher trat, und unterdrückte seine Verzweiflung angesichts der unmittelbaren Bedrohung. Beide wussten sie, dass aus einem Kampf Tarjanian als Sieger hervorginge. Er war größer, stärker und umfassender ausgebildet als Ghari - eben ein tüchtiger Krieger -, der junge Mann hingegen lediglich ein zum Aufständischen gemauserter Bauernbursche. Aber Ghari gierte nach einem Zusammenprall. Tarjanian las es in seinen Augen. Er wünschte sich, dass Tarjanian Widerstand leistete, damit er all seine Enttäuschung und Verbitterung an dem Mann austoben konnte, den er einst als Helden verehrt hatte. Indessen stand Tarjanian keinesfalls der Sinn danach, ihm eine solche Gefälligkeit zu erweisen. Ebenso wenig hatte er übermäßig Lust
Weitere Kostenlose Bücher