Dämonenkind 01 - Kind der Magie.pdf
leibhaftigen Drachen zu stehen. Nun klammerte er sich nichtsdestotrotz an die Überzeugung, dass seine Augen nur ein einziges Drachenwesen sahen.
»In Wahrheit gibt es keine Drachen, Tarjanian. Dieses Tier ist schlicht und einfach ein Dämonen-Geschmilz.«
Die Frau wandte sich an den Drachen. »Du hast ihn erschreckt, obgleich ich dich gebeten habe, Rücksicht walten zu lassen.«
»Ach, er ist ein Mensch. Diesen Wichten graut stets vor dem eigenen Schatten.«
Shananara hob die Schultern, eine Geste, die wohl die Schroffheit des Drachen entschuldigen sollte. »Er ist in letzter Zeit wenig unter Menschen gewesen. Du musst mit ihm Nachsicht haben. Wo ist dieses Kind, diese R'shiel?«
»R'shiel?«, wiederholte Tarjanian. »Ich habe keine Ahnung. Die Schufte sind mitten in der Nacht mit ihr fortgeritten. Offenbar in der Absicht, sie den Kariern zu übergeben.«
Shananaras Stirn umwölkte sich. Sie wandte sich an den Drachen. »Nimmst du sie wahr?«
»Seit der Morgenfrühe, als wir ihre Qual gewahrt haben, gab es kaum etwas zu spüren.«
»Was hat das zu bedeuten?«, fragte Tarjanian, der beschlossen hatte, vorübergehend außer Acht zu lassen, dass er sich mit einem Drachen und einer Harshini-Magierin unterhielt, zwei Wesen, von denen er noch vor kurzem die Überzeugung gehegt hatte, dass man ihresgleichen auf Erden gar nicht mehr antreffen konnte. »Von welcher Qual ist die Rede?«
»Sie könnte eine magische Verrichtung vollzogen haben. Bewiesen hat sie immerhin schon, dass sie über beachtliche magische Kräfte verfügt, bloß weiß sie nicht, wie sie zu beherrschen sind. Oder ...«
»Oder was?« Eindeutig verweigerte die Harshini ihm gewisse Auskünfte. Nein, genau genommen verriet sie ihm überhaupt nichts. Was war aus den Rebellen geworden?
»Wenn sie, wie du angedeutet hast, den Kariern übergeben wurde, ist es vorstellbar, dass ein karischer Priester der Urheber ihres Leids war«, erläuterte der Drache. »Leider können wir es nur beobachten, wenn sie Schmerzen hat, aber nicht die Ursache dafür erkennen.«
Mehr brauchte Tarjanian für seine Begriffe nicht zu wissen. Er wandte sich um und eilte im Laufschritt auf das Gutshaus zu; sein einziger Gedanke galt der Notwendigkeit, R'shiel möglichst schnell zu folgen. Shananara rief ihm etwas nach, doch er hörte gar nicht hin.
Rauschender Abwind warf ihn auf dem Lauf zum Gutshaus vornüber auf die Erde. Als der Drache wieder die Beine aufsetzte, versperrte er Tarjanian den Weg. Nur durch gewagtes Schlittern kam Tarjanian noch vor ihm zum Stehen. Das Vieh war größer als ein zweistöckiges Gebäude, und die Spannweite seiner kupfrigen Schwingen wirkte auf Tarjanian beinahe unfassbar breit. Geringschätzig sah der Drache auf ihn herab.
»Das Benehmen der Menschen hat sich in den vergangenen Jahrhunderten durchaus nicht gebessert.«
Shananara holte Tarjanian ein, packte ihn am Arm und drehte ihn zu sich herum. »Was hast du vor?«
»Ich muss R'shiel suchen. Sie ist in der Gewalt der Karier.«
»In dieser Beziehung besteht keine Gewissheit. Und sollte es so sein, weißt du dennoch nicht, wo sie sich befindet oder wie du sie aufspüren könntest.«
»Und was soll ich deines Er achtens anfangen?«,
schnauzte Tarjanian, den die Einsicht, dass sie Recht hatte, erheblich verbiesterte. Er hatte tatsächlich keine Ahnung, wohin Padric R'shiel in der Nacht geschleppt hatte. Gegenwärtig war ihm bloß klar, dass er sie finden musste und er Padric von Herzen gern eigenhändig abmurksen würde, falls R'shiel etwas zugestoßen war.
Die Harshini musterte ihn. »Steht sie dir nah?«
»Wovon sprichst du?«, stellte Tarjanian eine Gegenfrage.
Shananara furchte die Stirn, als wüsste sie mehr als er. »Nichts ... Wir wollen einen deiner Rebellen-Freunde wecken und ihn fragen, wohin man sie denn wohl gebracht hat.«
Shananara strebte in den Hof des Weinguts. Der Drache folgte; sein Schweif hinterließ im Erdreich eine Furche, die die Breite einer schmalen Gasse hatte. Das runde Dutzend Rebellen, das Tarjanian zu hängen beabsichtigt hatte, lag reglos auf dem Boden, die Schlinge baumelte wie eine Kinderschaukel sachte im Wind. Tarjanian kehrte dem hässlichen Andenken an sein nahe gewesenes Ende den Rücken zu und blickte mit wachsender Bestürzung um sich.
»Hast du sie getötet?«
Gereizt verdrehte die Harshini die Augen. »Nein, wie sich ganz von selbst versteht, habe ich sie nicht getötet. Wofür hältst du mich? Sie schlafen. Wen sollen wir
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