Dämonenkind 01 - Kind der Magie.pdf
und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Tarjanian blieb hinter ihm stehen, teils um eine etwaige Flucht vereiteln zu können, teils weil er eine gewisse Frist brauchte, um den Zorn zu bezähmen, den der Anblick des augenscheinlich Betrunkenen bei ihm hervorrief. Dieser Mann, ein vormaliger Freund, hatte R'shiel den Kariern ausgeliefert.
»Padric, wo sind unsere Kameraden?«, erkundigte sich Ghari.
Langsam hob Padric den Kopf. Er hatte sich voll gesoffen und war kaum noch des Sitzens fähig. »Mörder ...«, brabbelte er kläglich. »Sie hat uns Mörder geschimpft ...«
»Padric!«
»Wir hätten ihn nicht hängen dürfen, Ghari«, lallte Padric kummervoll. »Ich kannte ihn ja, er war kein Verräter. Mit dem Sendschreiben wollte er Leben retten, kein Unheil anrichten. Ich hätte ihm vertrauen sollen. Und ebenso R'shiel ... Sie ist wirklich ...«
Ghari sah voller Ärger auf. Tarjanian beugte sich über den Greis, packte ihn am Kragen und zog ihn vom Sitz empor. »Dann ist es ja wahrlich gut«, meinte er mit leiser Stimme, »dass ich das liebe Leben behalten habe, was?«
Aus geröteten Augen stierte Padric ihn an. »Tarjanian ...«
»Schweig!«, zischte Ghari und sah sich beunruhigt in der dicht bevölkerten Schankstube um. »Wir brauchen ein Schiff. Es gilt, R'shiel den Kariern zu entreißen.«
Gharis Gesinnungswandel bewog Padric zu keinerlei Fragen. Der Gram war ihm deutlich anzusehen, und in seinem Zustand griff er ohne Zaudern sofort nach der erstbesten Gelegenheit, um seine Schandtat wieder gutzumachen.
»Dann müssen wir uns sputen. Hier finden wir keinerlei Beistand. Vorhin ist die Nachricht eingetroffen, dass das Hüter-Heer mit aller Macht ins Feld zieht. Die Flussschiffer fahren allesamt nach Norden, um den Regimentern Beförderungsmittel zur Verfügung zu stellen.«
»Ins Feld?« Über die Schulter schaute Tarjanian sich um. Diese Nachricht erklärte allemal die gehobene Stimmung der Gäste. Zwar hatten die Flussschiffer wenig übrig für die Schwesternschaft, aber mit dem Verschiffen großer Heerscharen ließ sich viel Geld verdienen. Die Mannschaften der Flussschiffe sahen einer Zeitspanne glänzender Geschäfte entgegen; dass dadurch jeglicher sonstige Verkehr auf dem Fluss zum Stocken gelangte und die Versorgung der Bevölkerung gefährdet wurde, trübte ihre Freude nicht im Geringsten. »Warum?«
»Um uns zu vernichten, was sonst«, murmelte Padric. »Es verbreitet sich nämlich in Windeseile das Gerücht, dass du hier bist und in die Berge flüchten willst. In wenigen Wochen wird in der hiesigen Gegend das ganze Hüter-Heer versammelt sein.«
Diese Nachricht empfand Tarjanian als Anlass zur Sorge. Schließlich war er erst gestern in Testra eingetroffen. Wenn die Mitteilung, dass das Hüter-Heer ausrückte, schon heute die Testraer Schiffer erreicht hatte, musste Frohinia die diesbezüglichen Befehle gegeben haben, kaum dass sie von seiner, R'shiels und Mahinas Flucht aus Grimmfelden erfahren hatte.
Die Tür des Gasthofs schwang auf, und eine weitere Mannschaft trat ein; allerdings wirkten diese Männer weniger froh als die anwesenden, schon reichlich angeheiterten Schiffer. Indem er unwillkürlich ein stummes Dankgebet den Harshini-Göttern sandte, an die er zwar nicht glaubte, aber die möglicherweise auf ihn Acht gaben, wandte sich Tarjanian an Ghari.
»Jetzt weiß ich für uns ein Schiff«, sagte er. »Bring Padric hinaus und erwarte mich am Karren.«
Ohne viele Umstände fiel Ghari in die alte Gewohnheit zurück, Tarjanians Anweisungen zu befolgen. Er nickte und erhob sich, dann half er dem volltrunkenen alten Rebellen beim Aufstehen. Tarjanian schaute ihnen nach, während sie den Gasthof verließen, und schenkte seine Beachtung schließlich wieder dem Fardohnjer, der sich soeben durch die Gäste zum Schanktisch schob. Seine Brüder standen noch am Eingang und hielten nach freien Plätzen Ausschau. Tarjanian winkte ihnen zu und deutete auf den Tisch, an dem zuvor Ghari und Padric gesessen hatten. Die zwei Männer nickten und kamen herüber; sie erkannten ihn nicht, hielten ihn lediglich für einen hilfsbereiten Bauern. Gleich darauf gesellte sich Drendik zu ihnen; als er sich an Tarjanian wandte, um ihm zu danken, schössen ihm vor Verblüffung die Brauen in die Höhe.
»Du?«, rief er.
»Ich brauche deinen Beistand«, erklärte Tarjanian ohne Umschweife. »Ein Harshini-Mädchen ist in Not. Sie ist in der Gewalt des karischen Botschafters.«
Wenn Tarjanian etwas wusste, das einen
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