Dämonenkind 01 - Kind der Magie.pdf
Säcke, als Hoffnungslosigkeit R'shiel überwältigte. Die Trauer um Tarjas Tod rang sie vollständig nieder, hinterließ in ihr nichts als Leere und Gram. Die Zermalmung ihres Gemüts wirkte wie die vollkommenste Ergänzung ihrer körperlichen Beschwerden. Was künftig aus ihr werden sollte, war ihr einerlei. Kein Leid, das man ihr noch zufügen mochte, konnte das Elend übertreffen, das sie empfand, wenn sie an Tarja dachte.
Während das Schiff südwärts segelte, sank sie in dem Verschlag in einen kurzen Schlummer. Im Lauf des Tages wurde es in dem kleinen Lagerraum unerfreulich warm, und zudem verspürte R'shiel nach dem Aufwachen Hunger und Durst. Doch es fand sich niemand ein, um ihr irgendeine Stärkung zu reichen. Im Düstern durchwühlte sie die Wandgestelle, aber sie enthielten nichts Verzehrbares. Es gab zahlreiche alte Säcke, etliche Rollen Tau und mehrere Fässchen stinkigen Pechs, jedoch nichts an Nahrung oder Wasser. Hatte man vergessen, dass sie hier unten eingesperrt war, oder die Absicht, sie verhungern zu lassen? Letzteres erachtete sie als wenig wahrscheinlich. Elfron war allzu begeistert von seinem Einfall gewesen, seine vorgeblich harshinische Gefangene an den Mast gefesselt zu sehen, während er den Eisenstrom befuhr. Bestimmt duldete er nicht, dass sie ihm zuvor wegstarb und ihn seines Triumphs beraubte.
Da sie sich letzten Endes mit nichts anderem befassen konnte und gleichzeitig die Verzweiflung wegen Tarja stiller Trauer wich, dachte R'shiel nach einer Weile über die absonderliche Ansicht Ritter Pieters und Kaplan Elfrons nach, sie sei eine Harshini. Eigentlich kam R'shiel diese Vorstellung völlig unwirklich vor. Nach der Flucht aus Grimmfelden hatte Brakandaran ihr über die Harshini viel erzählt. Seine Schilderung hatte sie zu so reizvollen und vornehmen Wesen erhoben, dass sie sich beinahe wünschte, sie lebten noch. Seine Darstellung hatte R'shiel in einen regelrechten Bann gezogen und ein zauberhaftes Gewebe des Staunens und Wunderns um ihre bedrückte und geplagte Seele gesponnen.
Erst jetzt begriff sie, als was für eine große Hilfe sich Brakandarans Worte für sie bewährt hatten. In den Tagen nach der Flucht aus Grimmfelden war es ihr im Grunde genommen gleichgültig gewesen, ob sie am Leben blieb oder in den Tod ging. Eine Furcht hatte sie gequält, die sie nicht hätte erklären können; das Unvermögen zu verstehen, was sie getan hatte, war dem Unwillen gewichen, sich dem Geschehenen zu stellen.
Sie hatte ihrerseits Brakandaran von dem Wandgemälde ihres Zimmers in der Zitadelle erzählt, und anhand ihrer Beschreibung war er dazu im Stande gewesen, ihr dessen Sinngehalt zu erläutern. Seiner Aussage zufolge sollte es das Sanktuarium zeigen, eine von den Harshini geschaffene Stätte des Friedens; einen Ort, an dem Frohsinn und Lachen die Hallen erfüllten, wo mit jedem Atemzug heitere Gelassenheit die Seele umschmeichelte. R'shiel fragte sich, wie viel Wahres Brakandaran gesprochen und wie vieles er im Oberstübchen ersonnen haben mochte. Er hätte Barde werden sollen.
Dennoch konnte sie schwerlich übersehen, dass die Harshini, die doch allesamt seit langem tot und zu Staub geworden sein sollten, mit einem Mal in ihrem Leben eine dermaßen große Bedeutsamkeit erlangt hatten. Erst hatte Brakandaran sie mit Geschichten über die Harshini unterhalten, dann hatte Tarjanian den Rebellen gegenüber beteuert, sie wäre eine Harshini, obwohl er schlauer gehandelt hätte, etwas Glaubhafteres anzuführen; unter Umständen war es diese Torheit gewesen, die ihn das Leben gekostet hatte. Und nun verschleppten Ritter Pieter und sein Kaplan Elfron, die in ihr gleichfalls eine Harshini erblickten, sie gar nach Karien, um sie dort als Hexe zu verbrennen.
Konnte ihr unbekannter Vater ein Harshini gewesen sein? War denn so etwas möglich? Diese Erwägung brachte all ihre bisherigen Überzeugungen ins Wanken. Sie wusste, dass ihre Mutter - ihre wahre Mutter - sich geweigert hatte, den Namen des Vaters zu nennen. Aber die Harshini waren tot: Die Schwesternschaft hatte sie mit Stumpf und Stiel ausgerottet.
Elfron kam erst lange nach Anbruch der Dunkelheit zu R'shiel. Die Bewegung des Schiffs hatte sich verändert, sodass R'shiel nicht ausschloss, dass man für die Nacht am Flussufer angelegt hatte. Sie wusste nahezu nichts über die Schifffahrt, doch sie vermutete, dass das karische Schiff ein seetüchtiges Fahrzeug war, das sich zum Befahren eines Flusses weniger eignete. Daher bestand
Weitere Kostenlose Bücher