Dämonenkind 01 - Kind der Magie.pdf
gellend schrie, als ob er ihr grässliche Qualen bereitete. Der Kaplan röchelte vor Entsetzen. Mit einem wilden Aufheulen schwang R'shiel den Stab in weitem Bogen und schmetterte ihn am Kreuzmast in Stücke.
Augenblicklich erlosch das Licht des Stabs, kurz schloss sich völlige Finsternis an, aber da schlugen unvermutet Flammen aus dem Mast. Im Handumdrehen breitete sich das Feuer in sonderbaren Gespinsten grünlicher Glut über die gesamte Barke aus. Erschrocken fuhr Tarjanian von der Reling zurück, als sie unter seiner Hand erglühte. Rasend schnell verzehrte das Magie-Feuer die magischen Warnvorrichtungen, die das Schiff geschützt hatten, gerade so, als wäre in langen Rinnsalen Lampenöl ausgegossen worden. Es verkohlte den blauen Anstrich und fraß sich ins Holz. Nicht lange, und das ganze Schiff brannte wie eine Fackel.
»Tarja!«, schrie R'shiel, ließ die Trümmer des Stabs fallen und streckte die versengten Handteller vor sich hin. Tarjanian lief ihr entgegen und vollführte einen Satz hinweg über die Flammenzungen, die zwischen ihnen emporloderten. Allein der Umstand, dass er noch nass war vom Schwimmen, bewahrte ihn davor, vom Feuer erfasst zu werden.
Fast gleichzeitig erschien Drendik an R'shiels Seite. Am Aufgang der anderen Bordseite lag leblos der karische Gesandte. Das Schwert des Fardohnjers ragte aus der Mitte des kunstvoll gestalteten Prunkharnischs. Weil er nicht anders konnte, erübrigte Tarjanian für den Capitan einen kurzen Blick der Bewunderung, er staunte über die Körperkraft des Flussschiffers. Der Harnisch des karischen Ordensritters mochte ein leichter, eigentlich ausschließlich für das Zeremoniell bestimmter Brustpanzer aus Eisenblech gewesen sein, aber um ihn mit einer Blankwaffe zu durchstoßen, bedurfte es dennoch einer gewaltigen Muskelkraft.
Sobald Tarjanian vor R'shiel stand, sank sie ihm in die Arme. Er warf das Schwert Drendik zu. Mitten in der Luft fing der Fardohnjer es auf und wandte sich nun gegen den Priester. Mit einem Streich spaltete er ihn von der Schulter bis zum Bauchnabel. Ohne zu zögern hastete Tarjanian mit R'shiel zur Reling und sprang durch die Flammen hinab in die Düsternis und Zuflucht des Stroms. R'shiel, deren weite Kutte schon Feuer gefangen hatte, schrie beim Hinabstürzen. Dann schlössen sich die dunklen, eisigen Fluten über ihnen und zogen sie hinab in die glasgrüne Tiefe.
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In der Morgendämmerung bot das schwelende Wrack der karischen Barke, das inmitten einer Vielfalt verkohlten Treibguts schwamm, einen trostlosen Anblick. Das Schiff war bis zur Höhe des Wasserspiegels abgebrannt. Auch am Ufer kokelte eine beträchtliche Menge Glutasche, Überbleibsel des Scheiterhaufens, auf dem man die ums Leben gekommenen karischen Seeleute eingeäschert hatte. Gazil, Aber und Ghari waren während der gesamten übrigen Nacht mit der hässlichen Verrichtung beschäftigt gewesen, die Toten aus den Ufergewässern zu bergen und an ihnen eine schlichte Feuerbestattung zu vollziehen. Eigentlich waren die Fardohnjer jedem Leichenbrand abgeneigt, aber dazu bereit, für die Karier eine Ausnahme zu machen, zumal nachdem Tarjanian ihnen erläutert hatte, welche Folgen es haben müsste, würden die Leichen flussabwärst angeschwemmt.
Der Leichnam des Botschafters hatte nicht geborgen werden können. Tarjanian mutmaßte, dass er auf den schlammigen Grund des Flusses gesunken war, ein Ergebnis der unsinnigen Angewohnheit, stets den Prunkharnisch zu tragen. Die Leiche des Priesters lag abseits des niedergebrannten Scheiterhaufens. Ihn wollte Tarjanian noch nicht einäschern lassen.
Sämtliche Männer, Fardohnjer genauso wie Rebellen,
waren erschöpft und verdreckt. Das mühselige Werk der Nacht hatte sie ausgelaugt, und sie befanden sich in der eigentümlichen, ernsten Stimmung, die bei Menschen auftrat, die dem Tod ins Auge geblickt und anschließend festgestellt hatten - gleichsam zu ihrer Überraschung -, dass sie noch zu den Lebenden zählten.
Zum wiederholten Mal spähte Tarjanian hoffnungsvoll gen Westen, doch nichts zeigte sich am Himmel. Seufzend wandte er sich dem kleinen Lagerfeuer zu, das Drendik abseits des Scheiterhaufens entfacht hatte. Neben der Feuer stelle saß R'shiel, gehüllt in die Fetzen der Kutte und eine graue Wolldecke, und schaute blicklos in die Ferne.
Seit sie an Land gebracht worden war, hatte sie kein Wort von sich gegeben. Berührte jemand sie, auch wenn es nur zufällig geschah, zuckte sie zusammen. Die Handteller, mit denen
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