Dämonenkind 3 - Kind des Schicksals
führte. Vergeblich forderte R’shiel Zutritt, doch immerhin zog die mündliche Auseinandersetzung den Befehlshabenden an, der nachschauen kam, was das Gezeter bedeuten sollte. Sobald er R’shiel erkannte, furchte er die Stirn. Hauptmann Grannon war von kleinerem Wuchs als der Durchschnitt des Hüter-Heers und früh ergraut, zudem stand er im Ruf, eher ein tüchtiger Handwerker als ein verwegener Kämpfer zu sein. Gleichzeitig jedoch war er ein alter Kamerad Tarjanians.
»Niemand darf die Gefangenen besuchen, R’shiel.«
»Wir wollen gar nicht zu den Gefangenen, Hauptmann Grannon, sondern uns nur die Stäbe ansehen, die den Priestern abgenommen worden sind.«
Grannon schnitt eine unfrohe Miene, aber sah anscheinend in dem Anliegen nichts Verwerfliches. Für ihn waren die Stäbe bloß nutzlose, wenngleich wertvolle pfäffische Kultgegenstände.
»Nun gut. Begleite sie, Charal.« Seine nächste Äußerung bewies allerdings ein verdrießliches Maß an Argwohn. »Und bleibe bei ihnen.«
Der angesprochene Sergeant nahm eine Fackel von der Wand und geleitete R’shiel und Brakandaran durch den Stollen in die linker Hand befindlichen Kavernen.
Die Stäbe lagen in einer Räumlichkeit unweit des Stollens und waren achtlos auf einen Haufen geworfen worden. Zwei andere Hüter standen als Wächter am Zugang; sie traten verwundert beiseite und ließen R’shiel und den Magus eintreten. Caral ging voran und hielt die Fackel in die Höhe.
Der Helligkeitsschein spiegelte sich in den Kristallen der Stäbe wider, als wären sie mit zahllosen winzigen Karfunkeln besetzt. R’shiel und Brakandaran besahen sich den Haufen, achteten jedoch sorgsam darauf, Abstand zu wahren.
»Könntest du mir wohl einen Stab aufheben?«, fragte R’shiel den Sergeanten.
»Hauptmann Grannon hat Euch nicht verboten, sie anzufassen.«
»Uns ist es unmöglich, sie anzurühren«, erklärte Brakandaran. »Sie sind eigens dazu geschaffen worden, jedem Unheil zu bescheren, der Harshini-Blut in sich hat.« Charal wirkte, als hegte er Bedenken; dann wandte er sich um, rammte die Fackel in einen eisernen Wandhalter, bückte sich und ergriff einen Stab. Er streckte ihn R’shiel entgegen, die unwillkürlich um einen Schritt zurückprallte. »Hab doch Acht, Mann!«
R’shiel schluckte den Kloß der Furcht hinunter, der ihr plötzlich den Hals beengte, trat vorsichtig näher und nahm Xaphistas verhasstes Wahrzeichen der Macht aufmerksamer in Augenschein.
Die Stange war mit irgendetwas beschichtet worden, das sie auf eine Weise schwarz gefärbt hatte, die Licht aufzusaugen schien; das Oberende bestand aus Gold und hatte die Gestalt eines fünfzackigen Sterns, durch den ein silberner Blitz fuhr. An der Spitze jedes Zackens stak ein Stein, und in der Mitte des Sterns saß ein größerer Stein derselben Art.
Neugierig betrachtete Charal, in dessen Augen Habgier glitzerte, den Stab. »Sagt an, sind es echte Diamanten?«
»Nein«, antwortete Brakandaran. »Es ist irgendein Kristall.«
»Sie gemahnen an den Seher-Stein.«
Ziemlich verdutzt heftete der Magus den Blick auf R’shiel. »Was?«
»Sie erinnern mich an den Seher-Stein. Du kennst doch den großen Kristall, der in Groenhavn im Tempel steht?«
»Freilich kenne ich den Seher-Stein. Sergeant, halte den Stab näher ans Licht.« Charal schwang den Stab in die Richtung der Fackel, bis die Steine regelrecht gleißten. R’shiel wagte sich noch näher, betrachtete ihn etliche Augenblicke lang; dann hob sie mit äußerster Achtsamkeit die Hand ans Oberende. »Was tust du da?«, rief Brakandaran erschrocken.
»Ich stelle meine Überlegungen auf die Probe.«
Ganz sachte berührte sie mit der Fingerkuppe den mittigen Kristall. Kein Schmerz durchschoss sie, ihr entstand nicht das geringste Unbehagen.
»Was ist …?«, stieß Brakandaran in höchster Verblüffung hervor.
»Ich habe nicht den Stab, sondern allein den Kristall angerührt. Prüfe es selbst.«
Zögerlich näherte Brakandaran die Hand dem schimmernden Karfunkel; unwillkürlich zuckten seine Finger in sicherer Erwartung furchtbaren Schmerzes zurück. Doch als nichts geschah, legte er vorsichtig einen Finger an den Stein und schaute R’shiel höchst verblüfft an. »Ich begreife es nicht …«
»Schau her«, forderte R’shiel ihn auf, und er trat beiseite, sobald sie Anstalten machte, den Stab ein zweites Mal zu berühren. Diesmal stand das Schwarz der Harshini-Magie in ihren Augen. Als sie die Fingerkuppe auf den mittleren Stein senkte,
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