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Dämonentor

Dämonentor

Titel: Dämonentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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schlingt die Arme um
mich und küsst mich eine halbe Ewigkeit lang. Dann legt sie ihr Kinn auf meine
Schulter und flüstert mir ins Ohr: »Das fühlt sich so gut an. Wenn man uns bloß
nicht ständig folgen würde.«
    Ich verkrampfe mich sofort. »Wir werden –«
    »Ich mag es nicht, wenn man mich beschattet«,
präzisiert sie und wie auf Befehl lassen wir einander los.
    »Ich auch nicht.« Ich schaue mich um und erspähe einen
einsamen Mann, der auf der gegenüberliegenden Straßenseite in ein dunkles
Schaufenster starrt. Jegliche Art von romantischen Gefühlen löst sich in Luft
auf. »So was Blödes.«
    »Lass uns … Lass uns zurückgehen. Ab ins Bett und
morgen früh sind wir wieder frisch.«
    »Du hast recht.«
    Wir gehen ein Stück weiter, und sie nimmt meine Hand.
»Das war ein wunderschöner Abend. Das sollten wir noch mal versuchen.«
    Ich lächele sie an und verspüre Bedauern, aber auch
Optimismus. »Finde ich auch.«
    »Aber ohne Zuschauer.«
    Wir erreichen das Hotel, trinken noch etwas zusammen
und gehen dann getrennt auf unsere Zimmer.
     
    Ich träume von Drähten. Eine dunkle Landschaft, kalter
Schlamm. Im Hintergrund ertönt ein Schrei; zerrissene Schatten hängen an einem
Stacheldraht, der vor einer Festung gespannt ist. Die Schreie werden lauter,
und ich höre ein Grollen und Poltern. Es kommt näher und näher, und auf einmal
merke ich, dass ich nicht träume. Irgendjemand schreit tatsächlich, während ich
im Halbschlaf im Bett liege und mich noch kaum orientieren kann.
    Noch ehe mir richtig bewusst ist, dass ich wach bin,
stehe ich bereits im Zimmer, schlüpfe blitzschnell in T-Shirt und Jeans und bin
aus der Tür. Im kaum beleuchteten Gang
herrscht vollkommene Stille.
    Dann ist wieder ein gedämpfter Schrei zu hören, der
von oben kommt und definitiv von einem Menschen stammt. Ich haste zurück in
mein Zimmer, bewaffne mich mit dem Multitool und meinem Palmtop und wage mich
dann endlich die Treppe hinauf.
    Ein weiterer Schrei. Ich nehme zwei Stufen
gleichzeitig. Hinter mir öffnet sich eine Tür und ein verschlafenes Gesicht
taucht auf. »Manche Leute versuchen, hier zu schlafen …«
    Meine Nackenhaare stellen sich auf, als ich das in
einem unheimlichen Blau glühende Treppengeländer bemerke. Funken tanzen um
meine nackten Füße, und die Klinke der Zimmertür versetzt mir einen hässlichen
Stromschlag. Ein Lufthauch weht den Korridor entlang, wo das blaue Flackern die
Türrahmen umzüngelt. Noch ein Schrei, diesmal gefolgt von einem dumpfen Knall.
Etwas zerschlägt auf dem Boden. Ich höre, wie eine Tür in einem der unteren
Stockwerke zufällt, ehe der ohrenbetäubende Feueralarm alle anderen Geräusche
übertönt.
    Die Schreie kommen aus dem Platon-Zimmer, in dem Mo
einquartiert ist, und auch der Wind kommt von dort. Ich werfe mich mit aller
Kraft gegen die Tür und pralle zurück.
    »Was ist hier los?«
    Ich drehe mich um. Hinter mir steht eine Frau
mittleren Alters, die mich besorgt ansieht. »Feueralarm!«, rufe ich. »Ich habe
da drin Schreie gehört. Können Sie Hilfe holen?«
    Sie geht ein paar Schritte auf mich zu und zeigt mir
einen Schlüsselbund; vermutlich arbeitet sie hier als Nachtportier. »Erlauben
Sie?« Sie steckt den Schlüssel ins Schloss und drückt die Klinke. Mit einem
gewaltigen Ruck wird die Tür nach innen aufgerissen. Der Sturm, der dort
drinnen tobt, ergreift uns beide und reißt uns hinein. Ich fasse nach ihrem Arm
und stütze mich mit beiden Füßen gegen den Türrahmen. Jetzt ertönt ein Schrei
direkt neben meinem rechten Ohr, aber die Frau schafft es gerade noch, mit
ihrer freien Hand mein Handgelenk zu packen, sodass ich sie mit aller Kraft in
den Korridor zurückziehen kann.
    Ein Orkan tobt um uns herum, ganz so, als wäre ein Tor
in ein anderes Universum aufgestoßen worden. Ich wage einen Blick in Mos Zimmer
und sehe – Totales Chaos. Der Schrank liegt umgestürzt auf dem Boden, die
Kleidung und das Bettzeug sind durch den Raum verstreut. Es sieht so aus, als
hätte hier ein Kampf oder ein Einbruch stattgefunden. Wo in meinem Zimmer
allerdings eine Tür zu einem winzigen Bad führt, ist hier ein Loch. Ein Loch,
von dessen anderer Seite Licht einfällt. Sterne, die sich grell gegen die
Dunkelheit einer außerirdischen Landschaft im Dämmerlicht abheben.
    Ich ziehe den Kopf wieder zurück und rufe der Frau zu:
»Die Gäste müssen das Hotel sofort verlassen! Sagen Sie ihnen, dass hier ein
Feuer wütet! Ich hole Hilfe.« Sie weiß zwar offenbar immer noch

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