Dämonisches Tattoo
Die bloße Vorstellung, sie nicht mehr bei sich zu haben, schmerzte. Dabei hatten sie noch nicht einmal ein Wort über die Zukunft verloren. Sie hatten miteinander geschlafen, doch keiner von ihnen hatte bisher die Frage ausgesprochen, ob und wie es zwischen ihnen weitergehen sollte.
34
Als die Tür des Besprechungsraums hinter ihr zufiel, atmete Kate tief durch. Sie war erleichtert, dass Cassell keine Bedrohung mehr darstellte und Chase durch die Aussage des Indianers endgültig entlastet wurde. Sein Ruf war wiederhergestellt. Von jetzt an hatte er – so wie er es sich erhofft hatte – Anita und ihre Leute auf seiner Seite. Mithilfe der Polizistin und der Verbindung würde es ihnen hoffentlich innerhalb kürzester Zeit gelingen, den Killer zu fassen.
Langsam folgte sie dem Gang in Richtung der Aufzüge. Sie kam an einigen Einzelbüros vorüber, bis sie den Hauptteil des Reviers erreichte, in dem sich die Schreibtische paarweise drängten und die engen Gänge dazwischen von geschäftigen Leuten bevölkert waren, die Akten durch die Gegend trugen oder Verdächtige vor sich herführten. Im hinteren Teil des lang gezogenen Raumes sah sie den rotblonden Schopf von Munarez’ Partner. Er saß an seinem Schreibtisch, das Sakko über die Lehne seines Stuhls geworfen und sprach mit einem weißhaarigen Mann, den sie erst auf den zweiten Blick als Doug Edwards erkannte. Es war das erste Mal, dass sie den Gerichtsmediziner ohne seinen weißen Schutzanzug sah. In Jeans und Poloshirt wirkte er eigenartig fremd und fehl am Platz.
Als Button aufsah und sie bemerkte, nickte er ihr zu. Sein Gruß ließ auch Dr. Edwards aufmerksam werden. Der Mediziner sah sie kurz an, wandte sich dann aber ohne jede Reaktion wieder seiner Unterhaltung zu.
Kate hatte den Aufzug fast erreicht, als sie Ben Summers bei den Automaten entdeckte, der wie immer die Tasche mit seiner Kameraausrüstung mit sich herumschleppte. Er winkte ihr freundlich zu und hob seinen Pappbecher in die Höhe, eine stumme Frage, ob sie ebenfalls einen Kaffee wollte. Kate schüttelte den Kopf. Da packte er seine Tasche und kam zu ihr. Eine Wolke herben Aftershaves hüllte ihn ein und vermischte sich mit dem Geruch des Kaffees.
»Ich habe verfolgt, wie Sie auf allen Kanälen Schlagzeilen gemacht haben«, begrüßte er sie. »Geht es Ihnen gut?«
Kate nickte.
»Sind all die Dinge, die Agent Ryan vorgeworfen werden, wirklich wahr?« Er sah sich nach allen Seiten um, als wolle er sichergehen, dass niemand ihn belauschte. »Die Leute hier sind nicht sonderlich gut auf ihn zu sprechen.« Er zuckte die Schultern. »Ich kenne ihn nur von den Tatorten, aber dort wirkte er immer so normal und freundlich auf mich. Es fällt mir schwer, zu glauben, dass ein Mann wie er all diese Dinge getan haben soll«
»Ich kann Ihnen Ihren Glauben an die Menschheit bewahren«, meinte sie lächelnd. »Er sitzt im Augenblick mit Munarez und einem Entlastungszeugen zusammen und wird das Revier als rehabilitierter Mann verlassen.«
Summers stieß hörbar die Luft aus. »Na, Gott sei Dank!« Er deutete auf seine Tasche. »Tut mir leid, Kate, auch wenn ich wahnsinnig neugierig auf Ihre Geschichte bin, aber ich habe einen Termin mit Lieutenant Murphy.« Er beugte sich ein Stück weiter vor und erklärte mit gedämpfter Stimme: »Ich habe auf einem der Tatortfotos etwas gefunden, was … Ich weiß nicht, es könnte eine Spur sein, die zum Schlitzer führt.«
Kate horchte auf. »Wirklich?« Sie hatte Mühe, ihre Aufregung zu unterdrücken. »Was ist es?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich mag Sie, Kate, aber Sie sind noch immer Journalistin. Murphy würde mir den Arsch aufreißen, wenn er erführe, dass ich mit der Presse darüber spreche – noch dazu, bevor er informiert ist.«
»Verständlich.« Sie war versucht weiterzubohren, doch wenn er tatsächlich etwas gefunden hatte, würden Anita und Chase ebenfalls davon erfahren und könnten die Information für ihre Suche nutzen. Dieses Wissen genügte ihr.
»Ich muss gehen, sonst macht Murphy mich auch platt, ohne dass ich Ihnen etwas verrate«, meinte er entschuldigend und fügte hinzu: »Vielleicht können wir demnächst einen Kaffee trinken – oder auch ein Bier – und Sie erzählen mir von Ihren Erlebnissen.«
»Sicher«, meinte sie unverbindlich. »Warum nicht.«
Er winkte ihr noch einmal zu und machte sich auf den Weg. Kurz darauf war er um eine Ecke verschwunden und Kate ging weiter zum Aufzug. Sie drückte gerade den Knopf, als sich von
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